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Fett macht dick. Stimmt dies? John Yudkin, Arzt, Physiologe und Ernährungswissenschaftler schrieb in seinem Buch «Pure, White and Deadly»: «Wenn nur ein kleiner Teil von dem was wir über die Folgen von Zucker wissen über irgendein anderer Stoff bekannt würde, den wir als Nahrungsmittelzusatz verwenden, würde dieser Stoff sofort verboten.» Heute ist Zucker überall. Nebst dem Zucker in Fertignahrung konsumieren viele von uns täglich irgendwelche Süssigkeiten. Dieser schlägt sich, Sie ahnen es sicherlich schon, in unserem Körper als Fett nieder.

Ich wusste schon immer, dass Schokolade und Süssigkeiten nicht wirklich gut für mich sind. Auch, dass eine mögliche Folge von unvernünftigen Zuckerkonsums Typ 2 Diabetes sein kann. Was ich jedoch nicht wusste, waren die viel weiterreichenden Folgen von übermässigem Zuckerkonsum. Sicher denken Sie nun, eigentlich will ich dies ja gar nicht wissen. Meine Bitte an Sie: Lesen Sie weiter oder beschäftigen Sie sich auf andere Weise mit dem Thema. Und, falls Sie es nicht machen: Klagen Sie zu einem späteren Zeitpunkt nicht darüber, Sie hätten es nicht gewusst. Dies ist ein Thema, dass nicht nur für Übergewichtige wichtig ist, sondern für alle Liebhaber von Süssigkeiten, Fruchtsäften, Softdrinks und Fertignahrungsmitteln.

Zucker plus Zucker gleich Fett?

In meinem letzten Artikel «Das Märchen vom bösen Fett» habe ich beschrieben, wie es dazu kam, dass Fett verteufelt wurde. Eine Folge davon war, dass der Verbrauch von Zucker zunahm. Die Hersteller von Fertigprodukten ersetzten den Geschmacksträger Fett durch höhere Mengen des Geschmacksverstärker Zucker. Doch was bewirkt Zucker in unserem Körper? Mit welchen Folgen für unsere Gesundheit müssen wir bei übermässigem Verbrauch rechnen? Ab wann sprechen wir überhaupt von übermässigem Verbrauch? Auf diese Fragen und auf die fatalen Folgen der Reduktion von Fett und Ersatz durch Zucker in unserer Ernährung will ich nun eingehen.

Haben Sie sich schon mal überlegt, wie es zum Schwimmgürtel um Ihren Bauch oder zu den diversen, meist ungeliebten Fett-Pölsterchen an Ihrem Körper kommt? Sie meinen, da sei nur das Zuviel an Kalorien Schuld? Dies hat sicher auch damit zu tun. Doch sind Sie sicher, dass es nur auf die Anzahl und nicht auch auf die Herkunft der Kalorien ankommt?

Bierbauch durch Bier, Zucker oder Fett
Gerade der einseitige Ansatz von Bauchfett, oft fantasievoll als Schwimmgürtel, Rettungsring oder gar Feinkostgewölbe bezeichnet, stellt für unsere Gesundheit ein Problem dar. Das Bauchfett entsteht in erster Linie durch die Einlagerung von ungesundem Fett zwischen den Organen. ©fotolia.com

Spätestens seitdem das Übergewicht und mit ihm die Zivilisationskrankheiten weltweit trotz rückläufigem Verbrauch von Fett auf dem Vormarsch sind, suchen Ernährungswissenschaftler nach neuen Erklärungen. Bei vielen steht der vermehrte Konsum von Zucker im Fokus. Der weltweite Zuckerverbrauch ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Während im Jahr 1874 der Pro-Kopf-Konsum im Deutschen Reich noch bei 6,2 Kilogramm pro Jahr lag, sind es 2014/2015 in Deutschland rund 32 Kilogramm. In der Schweiz liegt der Verbrauch sogar bei rund 52 Kilogramm pro Kopf pro Jahr (Quelle Statista)!

Durchschnittlicher Konsum von Süssigkeiten
Durchschnittlicher Verbrauch eines Deutschen an Süssigkeiten und Knabberartikel mit jede Menge Zucker im Laufe eines Jahres (gemäss Herstellerangaben). ©wdr.de/ Quarks & Co

Zucker, ein natürlicher Energielieferant?

Zucker wird von Zuckerherstellern oft als einen natürlichen und notwendigen Energielieferanten gepriesen. Die Energiewährung in unserem Körper ist Glucose. Unser Kristallzucker besteht aus je einem Molekül Glucose und Fructose. So könnte man sagen, da ist was Wahres dran. Nur – in der Natur kommt Zucker nie in reinen Form vor, sondern immer in Verbindung mit wichtigen Nährstoffen wie Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe sowie Ballaststoffe. Darum spricht man in Bezug auf Zucker auch von leeren Kalorien: Das einzige, was er uns bringt, ist Energie. Gerade davon haben wir in unserer Ernährung mehr als genug.

Verschiedene Zuckerarten
Die meisten Menschen lieben die Süsse des Zuckers. Wir brauchen ihn jedoch nicht um überleben zu können. Gäbe es ab sofort weltweit keinen Zucker mehr, verschwänden vermutlich viele der heutigen Zivilisationskrankheiten. Wenn wir grössere Mengen Zucker essen, wird dieser ihn in unserem Körper zu Fett umgebaut. Diese Fettansammlungen führen oft zu grossen gesundheitlichen Problemen. ©Fotolia

Wir brauchen weder Kristallzucker noch andere Zuckerformen wie Maissirup & Co. um überleben zu können, zumindest nicht körperlich. Der eine oder andere von Ihnen wird nun vermutlich argumentieren, dass er die Süsse für das tägliche Überleben braucht: Sei es um Stress oder Frust abzubauen, sich zu belohnen oder sich zu trösten. Dies mag im übertragenen Sinn, wahr sein, körperlich gesehen, stimmt dies jedoch nicht.

Ab wann ist zuviel Zucker zu viel?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat ihre Empfehlung zum Zuckerverbrauch in kurzer Zeit schon zum zweiten Mal nach unten korrigiert. Sie empfiehlt, dass Zucker maximal 10, sinnvoller sogar nur 5% unseres täglichen Energiebedarfs abdecken soll. Dies entspricht bei einem durchschnittlichen Energiebedarf von 2000 Kalorien 6 gestrichenen Teelöffeln Zucker oder rund 25 Gramm.

Orangensaft mit Würfelzucker
Orangensaft enthält pro Deziliter fast 10 g Zucker. Mit 2,5 dl Orangensaft ist die Tagesration an Zucker, welche die WHO für einem durchschnittlichen Erwachsenen als sinnvoll erachtet, bereits erfüllt. Dies entspricht 6 gestrichenen Teelöffeln Zucker, bzw. in der Schweiz 6 in Deutschland 8 Würfelzuckern. ©Susan Rothenberger

Viele Wissenschaftler und Ärzte warnen von den gesundheitlichen Folgen von Zucker. Wussten Sie, dass heute zum Teil schon Kinder eine Fettleber haben? Nicht etwa, weil sie zuviel Alkohol trinken würden. Sondern weil sie viel zuviel Zucker konsumieren. Dabei spielt die Herkunft des Zuckers kaum eine Rolle. Ob er über Fruchtsäfte, Softdrinks, Süssigkeiten oder Fertigprodukte aufgenommen wird, im Übermass genossen, schadet er uns in jedem Fall. Wie bei allem ist es die Menge, die das Gift macht.

Was passiert in unserem Körper, wenn wir Zucker essen?

Unser Haushaltszucker ist ein Zweifachzucker (Disaccharid) bestehend aus zwei unterschiedlichen Zuckermoleküle. Diese sind miteinander verbunden.

Haushaltszucker
Haushaltszucker besteht aus Traubenzucker und Fruchtzucker. Ist Glucose der Übertäter und die Fructose der «gute» Zucker? Wir werden sehen. Screenshot ©zdf.de/Leschs Kosmos

Traubenzucker oder Glucose:

Bekanntlich schüttet unsere Bauchspeicheldrüse dosiert auf die Zuckermenge den Botenstoff Insulin aus. Dies geschieht aufgrund des Glucose-Anteils des Zuckers. Über das Insulin steht uns die Energie des Zuckers sofort zur Verfügung. Ist unser Körper jedoch schon ausreichend mit Energie versorgt, dockt das Insulin an unseren Fettzellen an und die Energie wird als Fett für spätere Notzeiten gespeichert. So entstehen im Laufe des Lebens bei den meisten von uns immer mehr Fettpolster.

Essen wir nun immer weiter viel Zucker, können zwei Dinge passieren: Entweder erschöpfen sich die Insulin-produzierende Zellen. Oder unsere Körperzellen brauchen immer noch höhere Mengen an Insulin, um überhaupt noch reagieren zu können. Eine sogenannte Insulinresistenz entsteht. In beiden Fällen bleibt unser Blutzucker, also der Gehalt an gelöstem Zucker in unserem Blut, viel zu hoch. Ohne Medikamente wird unser Körper dauerhaft geschädigt. So kann eine erhöhte Glucose-Zufuhr zu Magen-Darm-Problemen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen und Typ 2 Diabetes führen.

Fruchtzucker oder Fructose:

Der zweite Teil des Haushaltszuckers, der Fruchtzucker, geht einen anderen Weg: Ein Teil gelangt über den Dünndarm auch in den Dickdarm, wo er zu einer Veränderung der Darmflora führt und pathogene (krankmachende) Keime fördert. Dies kann zu Verdauungsproblemen und Entzündungen führen. Zuviel Fructose schädigt auch die Niere. Dies führt zu einer Fettleber und kann zu Hepatitis oder einer Leberzirrhose führen.

Fettleber
Kein schönes Bild: Immer mehr Menschen erhalten heute die Diagnose Fettleber, auch Menschen mit wenig Übergewicht. Ärzte vermuten, dass jeder Vierte von einer Fettleber betroffen ist, nur wissen es viele nicht. Die gute Nachricht ist, dass die Leber das einzige Organ ist, das sich regenerieren kann. Durch eine Ernährungsumstellung können Betroffene Schlimmeres meist abwenden und ihre Leber wieder gesunden lassen. Screenshot ©ndr.de/ Die Ernährungsdocs

Essen wir grosse Mengen von Zucker oder trinken wir Fruchtsäfte, Smoothies oder gezuckerte Softdrinks, wird die Leber mit Fructose überflutet. Um den Stoffwechsel der Leber nicht ganz zu blockieren, werden nun Triglizeride, eine Form von Fett, gebildet. Ein Teil davon wird in der Leber eingelagert und es entsteht eine Fettleber. Von der Leber aus gelangen diese Fett-Moleküle auch in den Bauchraum und werden um unsere inneren Organe gespeichert. So entsteht der ungesunde Schwimmgürtel um unsere Mitte.

Einlagerung von Fetten
Screenings im MRT zeigen heute immer häufiger folgendes Bild: Wenig Unterhautfett, jedoch alarmierend grosse Fettdepots zwischen den Organen.  Screenshot ©zdf.de/ Leschs Kosmos

Zucker lässt uns ganz schön alt aussehen

Zucker kann sich in unserem Körper über die nach Maillard benannte Reaktion mit Eiweissen verbinden, wenn wir zuviel davon essen. Bindet der Zucker an die Kollagene in unserer Haut, lässt dies unsere Haut alt und schlaff aussehen. Die Zucker-Eiweiss-Verbindung ist jedoch noch in anderer Hinsicht negativ: Wenn sie an die Andockstellen von Immunzellen anbinden, entsteht eine chronische Entzündungsreaktion.

Nahaufnahme eines Frauengesichts mit stark geröteten Hautstellen aufgrund Zucker-Einlagerung
Oft ist uns nicht bewusst, dass Zucker auch auf unserer Haut deutlich sichtbare Spuren hinterlässt und uns alt aussehen lässt. Screenshot ©zdf.de/Leschs Kosmos

Zucker interagiert im Gehirn mit unserem Belohnungssystem

Unsere Vorfahren lebten ursprünglich als Jäger und Sammler. Sie hatten nur während kurzer Zeit Zugriff auf süsse Früchte. Da früher Nahrung oft limitiert war, machte es biologisch gesehen Sinn, dass unsere Vorfahren animiert wurden, möglichst viel von den Früchten zu essen. Darum dockte der Zucker direkt im Belohnungszentrum im Gehirn an und löst Glücksgefühle aus (mehr dazu in meinen Artikel Fresssucht). Schliesslich soll möglichst viel von den seltenen in Natur vorkommenden Früchten für Energie in den schlechteren Zeiten sorgen. Zucker und Früchte gibt es heute genügend und während des ganzen Jahres. So wirkt sich der ursprüngliche geniale Wirkmechanismus heute oft fatal aus und wir schaden unserem Körper damit. Gerade darum ist es umso wichtiger, dass wir uns dies bewusst sind und gezielt gegensteuern.

Korb mit Früchten
Es spricht nichts gegen Früchte, wenn sie als Ganzes und in Maßen gegessen werden. Die Ballaststoffe beschleunigen der Darmdurchgang, die andern Stoffe helfen, dass der Fruchtzucker nur nach und nach in den Körper abgegeben wird. ©fotolia.com

Zucker hat nach kurzer Zeit einen Einfluss auf unsere Gesundheit

Der zuvor sich sehr gesund ernährende, australischen Schauspieler und Filmemacher Damon Gameau machte während 2 Monaten einen Selbstversuch. Er ersetzte, ohne die Gesamtkalorienzahl zu verändern, einen Teil seiner täglichen Kalorien durch 160 g Zucker. Soviel konsumiert ein durchschnittlicher Australier täglich. Sein normales Bewegungsprogramm behielt er bei. Fazit nach zwei Monaten: Er hatte 8,5 Kilo zugenommen, sein Bauchumfang war um zehn Zentimeter gewachsen und seine Blutzucker- und Fettwerte hatten sich stark verschlechtert. Während des Selbstversuch bemerkte Gameau nebst den körperlichen Veränderungen auch den Einfluss auf seine Psyche: Er litt unter euphorischen Anfällen im Wechsel mit totalen Erschöpfung. All diese körperlichen Veränderungen hatte er, obwohl er die tägliche Gesamtkalorienzahl nicht verändert hatte. Eine Kalorie entspricht eben doch nicht einfach einer Kalorie – die Herkunft zählt.

Übermüdung und Erschöpfung
Zuckerkonsum wirkt sich auch auf unser Verhalten aus: Mal sind wir euphorisch, mal unendlich müde. Gerade auch bei Kinder bemerkt man oft eine starke Reaktion, wenn sie zuviel Zucker hatten: Sie können dann kaum ruhig stillsitzen, geschweige denn, sich auf etwas konzentrieren. ©zdf.de/ Leschs Kosmos

Zucker, ein süsser Stoff, der uns krank macht?

Hätten Sie gedacht, dass das harmlos aussehende, weissen Pulver im Übermass genossen, so viele negative Seiten haben könnte? Bei Zucker ist es wie bei allen Dingen: Auf das Mass kommt es an. Auch ist Fruchtzucker nicht so harmlos wie sein Namen glauben machen will. Wenn ich Sie jetzt fragen würde, wieviel Zucker Sie pro Tag konsumieren, könnten Sie mir dies beantworten? Ein Reporterteam machte eine Umfrage auf der Strasse. Die meisten unterschätzen ihren Zuckerkonsum massiv. Selbst wenn Sie keinen Zucker in den Kaffee oder Tee nehmen, wenig Süssigkeiten essen – der Zucker steckt heute in über 80% der verarbeiteten Lebensmittel drin. Doch dazu zu einem späteren Zeitpunkt mehr.

Ihnen wünsche ich maßvollen Genuss – für ein langes und gesundes Leben.

Ihre Susan Rothenberger

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