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In meinem letzten Artikel habe ich darüber geschrieben, wieso es uns so schwerfällt, kurzfristigen Versuchungen zu widerstehen. Dies ist schön und gut. Nur, wie schaffen wir es, kurzfristigem Verlangen zu widerstehen? Denn, wenn wir ein bestimmtes Ziel erreichen wollen, ist es unabdingbar, dass wir anstelle der kurzfristiger Befriedigung unseres Verlangens, eine längerfristige Belohnung anstreben.
Egal ob es unser Ziel ist, Gewicht zu verlieren, eine sportliche Höchstleistung zu erbringen oder ein Weiterkommen im Beruf. Wann immer wir einem kurzfristigen Verlangen nachgeben, z.B. etwas zu naschen oder heute nicht zu trainieren, besteht die Gefahr, dass wir unser Ziel aus den Augen verlieren. Gerade darum ist es so wichtig, Verhaltensweisen zu entwickeln um kurzfristig einem Verlangen nicht nachzugeben. Hier einige Punkte, die uns dabei unterstützen.
Erster Punkt: Machen Sie sich klar, was Sie erreichen wollen
Als erstes sollten Sie sich im Klaren sein, was genau Sie erreichen wollen. Präzisieren Sie Ihr Ziel so genau als möglich. Ganz wichtig ist es auch, sich davon ein Bild zu machen. Unser Gehirn denkt in Bildern, nicht in abstrakten Zahlen. Wenn ich ihm sage, ich will 30 Kilo abnehmen, kann es damit nicht viel anfangen.
Wenn ich mir jedoch vorstelle, wie ich mit einem schönen, körperbetonten Kleid im Sommer durch die Strassen schlendere und mich dabei fühlen werde, kann dies unser Gehirn umsetzen. Am besten hängen Sie gleich ein Bild Ihres Ziels gut sichtbar für sich auf.
Zweiter Punkt: Erkennen Sie mögliche Stolpersteine
Sie haben Ihr Ziel klar definiert. Nun ist es wichtig, dass Sie die möglichen Stolpersteine erkennen. Wo kommen Sie in Versuchung? Wo fällt es Ihnen schwer zu widerstehen? Sind es die unvorhergesehenen Einladungen zu einem Dessert? Oder das emotionelle Frustessen, weil etwas nicht geklappt oder jemand Sie verletzt hat? Wichtig ist, dass Sie genau wissen, in welchen Situationen Sie in Gefahr kommen, von Ihrem Weg abzukommen. Je genauer Sie die Umstände erkennen, die Sie in Versuchung führen, umso besser können Sie mit diesen umgehen.
Bei mir ist es meine Spontanität: Ich ertappe mich immer wieder, wie ich in Situationen, die ich nicht vorausgeplant habe, mich anders verhalte als ich wünsche. Nehme ich die Situation jedoch in Gedanken vorweg und entscheide, wie ich mich verhalten werde, reagiere ich zielorientiert. Deshalb schreiben Sie sich am besten eine Liste aller denkbarer Stolpersteine, die konkret die Versuchungen aufzählt. Diese Liste können Sie dann jederzeit mit neu auftauchenden Stolpersteinen ergänzen.
Dritter Punkt: Schliessen Sie mit sich selbst klare Vereinbarungen, wie Sie sich in bestimmten Situationen verhalten werden
Sie haben nun Situationen, die Sie vom Erreichen Ihres Zieles abhalten, definiert und idealerweise gleich aufgeschrieben. Suchen Sie nun für jeden Stolperstein eine Taktik, wie Sie sich in dieser bestimmten Situation verhalten werden. Damit fällt es Ihnen leichter, sich zielorientiert zu verhalten und Ihr gestecktes Ziel zu erreichen.
Dies geht umso einfacher, je konkreter Sie sich schon im vornherein Ihre Reaktion bildlich ausgemalt und je genauer Sie sich selbst Grenzen betreffend Ihrem Verhalten gesetzt haben. Vereinbaren Sie an diesem Punkt mit sich ganz klare Regeln, was Sie unter keinen Umständen tun werden.
Ein Beispiel: Sie haben Sie fürchterlich aufgeregt. Um sich abzuregen, greifen Sie normalerweise nach einer Tafel Milchschokolade oder rauchen eine Zigarette. Stattdessen könnten Sie zum Beispiel Ihr Lieblingsmusik hören, einen kurzen Spaziergang machen oder einen lieben Freund anrufen und ihm alles erzählen.
Ganz wichtig: Unterschätzen Sie nicht die Hilfe von lieben Menschen. Suchen Sie Verbündete. Die meisten von uns sind soziale Wesen. Oft hilft ein kurzes Gespräch um auf andere Gedanken zu kommen und ein anderes Verhalten zu zeigen.
Vierter Punkt: Machen Sie sich die Kosten bewusst, falls Sie sich nicht an Ihre Vorsätze halten
Sie haben sich ein Ziel vorgenommen, dass Sie erreichen möchten. Wenn Sie dieses Ziel nicht erreichen, entstehen Kosten. Wenn Sie zum Beispiel abnehmen wollen, weil Sie möglichst lange gesund und fit fühlen möchten, Sie jedoch sogar eher noch zunehmen, entstehen Ihnen mit grosser Wahrscheinlichkeit Kosten in Bezug auf Ihre Wohlbefinden.
Vielleicht bekommen Sie in einigen Jahren Bluthochdruck oder Sie fühlen sich einfach nicht mehr so vital und leistungsfähig wie zuvor. Dies sind Kosten, die Sie sich bewusst vor Augen führen sollten, gerade weil unser Gehirn auf kurzfristige Belohnungen viel stärker reagiert.
Es gibt jedoch nicht nur Kosten, die Ihnen effektiv erwachsen, sondern auch solche, die sich indirekt aus dem Nichterreichen Ihres Zieles ergeben. Im ökonomischen Konzept sind diese Kosten eine Grösse zur Quantifizierung entgangener Alternativen, die sogenannten Opportunitätskosten.
Ein Beispiel: Eigentlich wollten Erich mal Arzt werden. Er bekommt jedoch nach Abschluss des Bachelors ein gutbezahltes Angebot von einem Unternehmen, medizinische Hilfsmittel zu verkaufen. Der schnelle Verdienst lockt ihn und lässt ihn die Stelle annehmen. Dadurch verdient er schon in jungen Jahren mehr Geld. Die Annahme dieser Stelle geht jedoch auf Kosten seines langfristigen Zieles Arzt zu werden. Mit grosser Wahrscheinlichkeit hätte er als Arzt mehr verdient. Durch seinen Wunsch, kurzfristig mehr zu verdienen, entstehen ihm die Kosten der entgangenen Alternative, später noch mehr zu verdienen.
Fünfter Punkt: Erschaffen Sie ein auf sich zugeschnittenes Belohnungssystem
Last but not least: Um Ihr Ziel zu erreichen, verändern Sie bestimmte Verhaltensweisen, widerstehen Versuchungen und finden neue Wege, mit bestimmten Situationen umzugehen. Dies alles braucht Energie, Zielstrebigkeit und vor allem auch Ausdauer, damit Sie Ihr gestecktes Ziel am Ende wirklich erreichen. Wenn Sie Ihre Taktik, Versuchungen zu widerstehen, erfolgreich umsetzen, haben Sie sich redlich eine Belohnung verdient.
Deshalb überlegen Sie sich schon am Anfang, was Sie sich zur Belohnung beim Erreichen eines Teilziels leisten werden. Und dann geniessen Sie Ihre wohlverdiente Belohnung aus vollen Zügen. Dies soll zugleich auch der Ansporn sein, weiterzumachen um das nächste Ziel zu erreichen.
Zum Beispiel können Sie sich nach dem ersten grossen Erfolgen beim Abnehmen, neue Kleider kaufen, die besser sitzen und in denen Sie sich wohlfühlen. Aber auch für kleinere Teilsiege sollten Sie sich belohnen, schliesslich haben Sie sich erfolgreich neue Verhaltensweisen angewöhnt, ein nicht immer leichtes Unterfangen.
Nun wünsche ich Ihnen trotz den schnell sich nähernden Feiertagen genügend Musse, sich hinzusetzen und Schritt für Schritt Ihre Taktik aufzuschreiben: Wie wollen Sie in Zukunft mit Verlangen umgehen, um Ihr gestecktes Ziel zu erreichen? Oder Sie holen gleich Ihren Kalender und planen sich Zeit ein, wo Sie dies erledigen werden. Denn ohne konkretes Umsetzen klappt es nicht – da spreche ich aus eigenen Erfahrung.
Ihnen und Ihren Lieben wünsche ich nun von Herzen frohe Festtage mit viel Zeit zum gemütlichen Beisammensein,
Ihre Susan Rothenberger