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Es gab mal die Zeit, als unsere Großväter und Urgroßväter zu Fuß oder auf dem Fahrrad zur Arbeit gelangten. Kartoffeln wurden von den Hausfrauen noch von Hand gestampft, und auch die Waschmaschinen ließen noch einige Jahrzehnte auf sich warten. Bewegungsmangel kannte diese Generation nicht.

Es ist also noch gar nicht so lange her, dass die tägliche Arbeit uns viel Schweiß und Energie abgefordert hat. Doch durch eine fortschreitende Industrialisierung und insbesondere das Computerzeitalter wurden wir mehr und mehr zu Faultieren. Sport war früher nur etwas für Profis. Fitnessübungen waren nur etwas für Angehörige militärischer Einheiten. Erst in den 60er Jahren schwappte die Fitnesswelle aus den USA über den großen Teich: Prominente wie Arnold Schwarzenegger und Jane Fonda ebneten den Weg für die heutige Fitnessindustrie.

Doch wie viel Fitness brauchen wir?

Wie viel Muskelaufbau und Fettabbau ist tatsächlich gesund? Klar ist: Ein gesunder Körper ist für die meisten Menschen Basis für ein glückliches Leben (siehe Maslows Bedürfnispyramide). Doch falscher oder gar kein Sport ist wie falsche Ernährung – er treibt uns am Ende dorthin, wo wir niemals landen wollten: auf den Tisch der Chirurgen. Mediziner, die dann versuchen müssen, das zu retten, was noch zu retten ist. Die Wartezimmer der Orthopädiepraxen platzen mittlerweile aus allen Nähten, denn es sind nicht nur die Rückenschmerzen, die den Sportmuffel quälen, sondern auch die Gelenke, die den Schreibtischtäter plagen, der 60 Stunden in der Woche nahezu dieselbe Leistungskurve aufweist wie ein schlafendes Baby, am Wochenende aber seinen untrainierten Körper zu Höchstleistungen zwingt, die eine Verletzung geradezu heraufbeschwören.

Woran liegt das?

Die Antwort ist einleuchtend. Werfen wir dafür einen Blick zurück, genauer gesagt: auf die Evolution. Die hat vor 130.000 Jahren den Urzeitmenschen dazu befähigt, sich an die Spitze der Nahrungskette zu katapultieren. Sie hat ihn zu einem Überlebenskünstler par excellence gemacht. Wenn die Jäger Beute machen konnten, haben sie sich den Bauch vollgeschlagen und Energie getankt, um eine mehrtägige Jagdflaute überleben zu können.

Zwei Burschen beim Fischen
In asiatischen Gebieten kennt man auch heute noch fast keinen Bewegungsmangel. ©Pixabay

Alternativen wie Fische, Beeren, Früchte, Schnecken, Wurzeln und Nüsse standen ebenfalls auf dem Speiseplan. Der Mangel an Fleisch in Notzeiten war ein natürlicher Glücksfall, konnten doch durch das Alternativangebot die notwendigen Vitamine und Mineralstoffe aufgenommen werden.

Überleben liess keinen Bewegungsmangel zu

Die Jagd an sich war ein perfektes Fitnessprogramm die keinen Bewegungsmangel aufkommen liess, denn im Gegensatz zu den meisten Raubtieren hat sich der Mensch auf die Hetzjagd spezialisiert. Sein Körper verfügte – zwei Millionen Schweißdrüsen und der spärlichen Behaarung sei Dank – über ein hocheffektives Kühlsystem. Noch heute jagen Eingeborene Zebras und Kängurus, indem sie stundenlang hinter ihren Opfern herlaufen, bis diese erschöpft zusammenbrechen und sich ihrem menschgewollten Schicksal ergeben.

Nordic Walking nach der Fahrt zum Bäcker

Was die Evolution über Millionen von Jahren hinweg erschaffen hat, haben wir in knapp 130 Jahren zunichte gemacht. Der Bewegungsmangel – auf der WHO-Liste der lebensbedrohlichen Risikofaktoren noch vor dem Übergewicht – nimmt immer kuriosere Formen an: Zum 200 Meter entfernten Bäcker fahren wir am Sonntagmorgen mit dem Auto – und beruhigen unser Gewissen anschließend mit dem Ausüben von Trendsportarten wie Nordic Walking, die nur für Menschen entwickelt wurden, deren Körper höhere Leistungen nicht mehr abrufen können. Die Gesundheitsbehörden empfehlen 30 Minuten moderate Bewegung pro Tag, doch 60 % der Bundesbürger unterschreiten dauerhaft diesen doch eigentlich niedrigen Wert.

Mutter und Kind Liegestützen
Mindestens 20 Minuten gesteigerter Leistung stehen auf der Wunschliste der Mediziner. ©Pixabay

10 % sind sogar völlig inaktiv. Drei bis fünf Trainingseinheiten pro Woche mit mindestens 20 Minuten gesteigerter Leistung (z.B. Laufen bei einem Tempo, das eine Unterhaltung gerade noch ermöglicht) stehen auf der Wunschliste der Mediziner. Und tatsächlich: Jeden Abend sehen wir Millionen von Freizeitsportlern beim Joggen, Radfahren oder im Fitnessstudio. Doch der Schein blendet: Viele halten dieses Programm ein Jahr durch und verabschieden sich dann auf Nimmerwiedersehen Richtung Sofa. Bewegungsmangel heißt in der Folge nicht nur drohendes Übergewicht, sondern auch Erhöhung des Diabetes-mellitus- und des Krebsrisikos, hier insbesondere Darm- und Brustkrebs.

Gesundheitliche Grenzen

Doch auch der Sport hat seine gesundheitlichen Grenzen: Wer mehr als sieben Stunden pro Woche intensiv trainiert, bringt seinem Körper dadurch keinen gesundheitlichen Nutzen mehr – im Gegenteil. Das sogenannte Sportlerherz droht, denn Sport baut Muskelmasse auf – und er macht dabei auch vor dem Herzmuskel nicht halt. Das allein ist natürlich in keiner Hinsicht gefährlich. Wenn allerdings das Herz des Sportlers vorbelastet ist, kann es zu Vorhofflimmern und plötzlichem Herztod kommen. Wie heißt es schließlich so schön: Leben Sie gesund oder treiben Sie Sport?

Für Höchstleistungen geboren

Der gesunde Mittelweg bei Sport und Fitness führt deshalb immer über die Sprechstunde beim Haus- oder Sportarzt, bei Vorbelasteten über den Kardiologen. Wer böse Überraschungen ausschließen möchte, sollte sich regelmäßig einem intensiven Checkprogramm unterziehen. Angeborene Herzfehler treffen auch 20-Jährige, die auf dem Zenit ihrer Leistungsfähigkeit stehen. Schließlich ist schon so mancher Fußballprofi auf dem Platz zusammengebrochen. Doch wie gesagt: Wir sind für Höchstleistungen geboren und wollen diese auch bringen.

Läufer beim Marathon-Wettkampf
Gerade die Läufer können davon das Hohelied der Glückshormone singen, schließlich sind sie die Hetzjäger der modernen Zeit. ©Pixabay

Immer die nächste Bestzeit vor Augen, pumpen Läufer Hormone wie Serotonin und Dopamin in ihr Gehirn und laufen sich in einen wahren Rausch der Gefühle. Sie sind es auch, die auf eine ausgewogene Ernährung achten, denn sie wissen, dass nur eine optimale Konditionierung des Körpers die notwendige Energie zur Verfügung stellen kann. Glück empfinden alle Sportler, die einen Sieg erreichen – sei es in einer der zahlreichen Teamsportarten gegen einen starken Gegner oder aber bei der täglichen Sitzung im Fitnessstudio, wo man seinen inneren Schweinehund jeden Tag aufs Neue besiegt, um die Schmetterlinge in seinem Sixpack zu spüren. Belohnung muss sein.

Ihr Ralf Wuzel

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