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Schon Hippokrates, Paracelsus oder Kneipp wussten um die enorme Wirkung der Kälte. Heute boomen Eis-Bäder und Kältekammern. Und schon kommt ein neuer Boom – diesmal aus einer Allgäuer Garage: ein Gerät soll den gleichen Effekt erzielen. Ohne Frieren und einfach über die Handinnenflächen. Wir sind der Sache auf den Grund gegangen.

Die jahrtausendealte Tradition der Behandlung und Prävention von Erkrankungen durch Kälte ist ein begrüßenswerter Weg, jenseits von Medikamenten Gutes für die eigene Gesundheit zu tun. Schließlich werden Organe, Stoffwechsel und Blutdruck angeregt – und viele Leiden wie Migräne, Gelenkschmerzen, Depressionen und Schlafstörungen verschwinden. Weltweite Studien belegen die positive Wirkung der Kälte. Bisher war dieser Heilungsweg nur etwas für sehr Mutige und Kälteliebhaber. Bis jetzt. Denn nun gibt ein Kälte-Gerät, das in Bayern produziert wird und  bereits tausenden Menschen von Schmerzen und Leiden befreit haben soll. Noch dazu soll die Anwendung nicht unangenehmer sein als eine Maniküre. Kann das sein? Wir haben 2 Experten und einen Patienten zum Interview geladen, um Klarheit zu schaffen:

  • Thomas Wittgen; Schauspieler, Moderator und seit einer Sportverletzung und Schmerzpatient.
  • Prof. Dr. Peter Schneider, Psychologe, HS Bund und Deutsche Gesellschaft für digitale Gesundheitsanwendungen
  • Dipl. Vw Daniel Pusch, Gesundheits-Ökonom, Vorstand Deutsche Gesellschaft für digitale Gesundheitsanwendungen 

Studie: mit 105 Studienteilnehmern/innen wurde in einer klinischen Studie die Kälteanwendung mit einem speziellen Gerät auf Wirksamkeit untersucht. Die Studienteilnehmer/innen litten unter dem Post-Covid-Syndrom und erhielten über einen Zeitraum von 3 Wochen Kälteanwendungen durch das Gerät.


Herr Wittgen, Sie treiben neben ihrem Beruf viel Sport und haben sich vor Jahren eine Sportverletzung zugezogen, die mehrfach operiert werden musste. Wie geht es Ihnen heute damit?

Thomas Wittgen: 

Vor drei Monaten hätte ich Ihnen noch gesagt, dass es mir sehr schlecht geht. Ich bin bei einem BMX-Wettkampf vor 2 Jahren gestürzt und habe mir einige Brüche wie Bänderverletzungen zugezogen, die mir noch lange Probleme gemacht haben. Bänder und Sehnen haben sich zunächst nie ganz erholt. Und in den letzten Monaten hatte ich zusätzlich noch unter dem Long-COVID-Syndrom zu leiden. Heute allerdings kann ich sagen, dass es mir sehr viel besser geht und ich mich fühle wie früher, als ich kerngesund war.

Was ist in der Zwischenzeit passiert, dass diesen Heilungsprozess mit sich gebracht hat?

Thomas Wittgen:

Ich habe eine neuartige Kältetherapie ausprobiert, die mir im besonderem Maße geholfen hat. Erste Effekte spürte ich bereits nach 3 Tagen. Das war für mich erstaunlich. Ich habe täglich die Kälteanwendung genutzt. Immer 2 Minuten lang und dann jeweils noch mal 2 Minuten. Länger als 30 Minuten war ich dafür nicht bei meinem Hausarzt. Verrückt war: immer am Folgetag einer Anwendung fühlte ich mich beweglicher. Besonders im Knie, das dreimal operiert wurde, aber auch andere Gelenke waren beweglicher und plötzlich schmerzfrei.

Als Nebeneffekt konnte ich auch Symptome eines Post-Covid-Syndroms loswerden, bei denen ich schon Sorge hatte, sie werden chronisch – wie z.B. entzündete Stirnhöhlen.

Herr Professor Schneider, Sie waren an der Behandlung von Herrn Wittgen nicht beteiligt, aber Sie haben zusammen mit Daniel Pusch und Ihrer gemeinsamen Forschungsgemeinschaft eine Langzeitstudie durchgeführt und dabei Post-COVID-Patienten einer Kälteanwendung unterzogen, um spätere eventuelle Gesundheitseffekte belegen zu können. Können Sie uns in einfachen Worten den Gegenstand Ihrer Studie, also die Anwendung selbst, erklären?

Prof. Peter Schneider: 

Das Prinzip der positiven Effekte von Kälte auf die Gesundheit ist grundsätzlich wissenschaftlich bewiesen. Es gibt eine gesamte Bandbreite von Gesundheitsbelastungen, die sich durch Kälte therapeutisch mindern lassen. Neu allerdings wäre, dass sich positive Gesundheitseffekte über ein Gerät erzielen lassen. Diese Annahme haben wir mit einer Studie geprüft. Und das im Kontext des Post-Covid-Syndroms, weil sich in diesem Komplex viele verschiedene Erkrankungen bzw. Symptome sammeln können.

Unser Setup war ein Körper kühlendes Gerät und knapp über 100 Patienten mit dem Long-Covid-Syndrom, die es zur Behandlung nutzten. Das Gerät kühlt den Körper über die Handflächen um circa 1,5° herunter. Das Patent dafür stammt von der Stanfort University und setzt auf den Effekt, dass sich per leichtem Unterdruck die Venen und Adern der Arme öffnen und so Kälte in den Korpus eindringen kann, ohne dass man friert wie in der Eistonne oder Kältekammer.

Herr Pusch, Sie haben die Studie mit ihrer Studienorganisation durchgeführt. Was waren die auffälligsten Ergebnisse?

Daniel Pusch:

Wir haben etwa 100 Long-COVID-Patienten untersucht, die wiederum – und das war für uns sehr spannend – mit einer ganzen Bandbreite von gesundheitlichen Belastungen zu uns ins Testlabor kamen. 

Wir hatten es also hier nicht mit einer Inzidenz beziehungsweise einer singulären Erkrankung zu tun, sondern mit ganz unterschiedlichen vielen Belastungen. Diese reichten von psychischer Niedergeschlagenheit über Erschöpfungszustände, chronische Entzündungen oder Atemwegsprobleme, um nur ein paar zu nennen. Wir konnten insofern nicht nur einfach ein Ergebnis aus der Studie ableiten, das einen einzelnen Vorher-/Nachher-Effekt durch die Behandlung bestimmt, sondern konnten Wirkungseffekte für verschiedenste Krankheits- und Belastungssymptome feststellen. Ich kann sagen: die Ergebnisse haben uns erstaunt. 

Eisschwimmer berichten immer wieder auch davon, dass sie sich kerngesund fühlen und vor allem sich wie in einem positiven High-Moment befinden, d.h. sie haben wohl einen hohen Ausstoß von Glückshormonen. Kann man das generell als eine Wirkung der Kälte auf Menschen betrachten?

Prof Dr. Peter Schneider: 

Generalisieren kann man das nicht. Aber eine große Mehrheit derer, die sich von Zeit zu Zeit der Kälte aussetzen, erfährt tatsächlich eine erhöhte Ausschüttung von Glückshormonen. Sie fühlen sich euphorisiert und das über einen langen Zeitraum hinweg. Wissenschaftliche Studien untermauern, dass die Kälte nicht nur den Stoffwechsel des Körpers aktiviert, sondern auch den neuronalen Stoffwechsel – und das zum Positiven. Hierbei aktiviert sich die Plastizität, d.h., dass die Vernetzung der Gehirnzellen angeregt wird – und dazu gehören eben auch Glückshormone.

Viele meiden sie und halten sich lieber an warmen Orten auf, dabei hat Kälte viele positive Wirkungen auf unsere Gesundheit und die Stimmung.

Daniel Pusch: 

Tatsächlich konnten wir in unserer Studie feststellen, dass wir die höchsten Wirkungseffekte mittels Kälte im Symptombereich der Psyche hatten. Erstaunliche 68,4 % der Studienteilnehmer gaben an, dass sie sich psychisch deutlich besser fühlen nach den Anwendungen. Im wissenschaftlich medizinischen Bereich sind solche Werte tatsächlich außergewöhnlich.

Kältetherapie – auch Kryotherapie genannt – ist ja bereits eine Jahrhunderte alte medizinische Tradition. Wieso erlebt man heute eine zweite Renaissance für dieses Thema? 

Prof Dr. Peter Schneider: 

Genau kann ich Ihnen das nicht sagen: aber es gibt immer mehr wissenschaftliche Beweisführungen für die Wirkung von Kälte. Ich halte das für sehr gut, da die Kälte bzw. Kryotherapie vielfach Behandlungen mit nebenwirkungsreichen Medikamenten unterstützen oder gar ersetzen kann. Sicherlich haben auch die neuen Medien mit Videos von Eisschwimmern diesen Trend unterstützt.

Herr Wittgen: Wie reagieren denn Freunde, Verwandten oder Kollegen, wenn sie von Ihnen erfahren, wie Sie durch Kälte gesünder wurden – ohne auch nur einmal in einer Kältekammer oder im Eiswasser gewesen zu sein, sondern einfach nur dadurch, dass Sie Ihre Hände in ein Gerät hielten?

Thomas Wittgen: 

Die Reaktionen sind optimistisch skeptisch würde ich sagen. Also einerseits glaubt man mir natürlich, dass durch die Kälte meine Symptome verschwunden sind, andererseits wundert es viele, dass man dafür einfach nur seine Hände bequem in ein Gerät legen muss. Insgesamt ist die Neugierde so groß, dass vier Freunde mit der Anwendung zeitnah starten. Meine Mutter hat das längst gemacht, ist ihre Rückenschmerzen losgeworden und seitdem nur noch im Garten, der inzwischen so bunt und gepflegt aussieht wie ein Schlossgarten.

Herr Pusch, kann man nun nach der Studie feststellen, dass die Methode der Kälteanwendung über die Handflächen wirksam ist und die Eistonne ersetzt?

Daniel Pusch:

Wir werden weitere Studien durchführen, um noch mehr verwertbare Ergebnisse zu erhalten – z.B. auch was chronische Entzündungen und Autoimmunerkrankungen anbetrifft. Aber bereits jetzt lässt sich festhalten, dass die  Gesundheitseffekte deutlich sind. Krankheitssymptome und Schmerzen mindern sich und die Stimulation von Glückhormonen wird angeregt. Eine Mehrheit von über 86% der Anwender von der Kälteanwendung über die Handflächen fühlt sich körperlich und geistig besser. Zur Frage, ob es Eisbaden ersetzt? Ich denke, dass viele Menschen gerne im Winter in die Flüsse und Seen steigen und neben den positiven Gesundheitseffekten für sie selbst schon das Ritual schön ist.

Aber einen schnelleren und sicheren Kühlungseffekt für den Korpus erzielt man mit Alphacooling. Zudem vermeidet man schmerzende Hände und Füße und darüber hinaus das Risiko für das Herz-Kreislaufsystem. Ich selbst würde im Januar jedenfalls nicht die Badehose anziehen.


Wir danken für das Gespräch!

Fazit: Wahrscheinlich hätten bereits Hippokrates, Paracelsus oder Kneipp mit der neuen Methode gearbeitet, aber darüber können wir nur spekulieren. Sicher ist: die uns vorliegenden Studienergebnisse zeigen, dass eine Kälteanwendung über die Handflächen eine ernstzunehmende Gesundheitsanwendung ist, die bereits eine offizielle Medizinzulassung hat und hohe Chancen für Heilung und Wohlergehen verspricht.

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