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Bald feiern wir die Wintersonnenwende, dieses letzte Fest innerhalb eines Jahreskreises, die längste Nacht und der kürzeste Tag des Jahres.
Die Dunkelheit erreicht die Grenzen ihrer Macht, sie wird schwächer und das Licht gewinnt an Kraft. Ein Kranz wird gebunden (heute ist es der Adventskranz) mit seinen vier Kerzen, eine für jede Jahreszeit. Typische Kräuter und Pflanzen für diese Zeit sind die immergrünen Pflanzen als Zeichen für die Unsterblichkeit der Natur. Da wäre z.B. der Wacholder, welcher reinigt und schützt, geräucherte Kiefer, welche das Haus reinigt und die Mistel, die Böses abwehren soll.
Die Mistel verdient es, dass wir sie uns etwas genauer ansehen, ist sie doch eine der ganz wenigen Pflanzen, die auch zu dieser Jahreszeit geerntet werden kann, die eine lange Geschichte und viel Mythologie hat, aber auch in der modernen Medizin ihren wohlverdienten Platz hat. Aber eins nach dem anderen:
Die Biologie der Mistel
Die Mistel (Viscum album) kommt als Halbschmarotzer auf fast allen Laubbäumen außer der Buche vor, zwei Unterarten nur auf Nadelbäumen.
Der runde, fast immer kugelige, immergrüne kleine Strauch von gelbgrüner Farbe ist stark verzweigt und besitzt gegenständig, an den Enden der Gabeläste angeordnete, längliche, ledrige Blätter. Die unscheinbaren Blüten sitzen in den Achseln der Zweige und bilden weiße, klebrige Beerenfrüchte aus. Die Samen in den Früchten dienen den Vögeln als Nahrung und bleiben an ihnen kleben, so dass die Mistel dadurch weit verbreitet wird.
Sie ist eine in der Pflanzenwelt außergewöhnliche Erscheinung. Wo andere Pflanzen zum Keimen Dunkelheit brauchen, benötigt sie das Licht und wenn im Winter sonst alles kahl ist, bildet sie ihre Früchte aus. Ihr Wachstum folgt nicht der Sonne, sondern ganz eigenen Gesetzen. Deswegen vielleicht auch ihr hohes Ansehen.
Zur Geschichte
Die Mistel reicht in ihrer mit Religion und Brauchtum verwobenen Geschichte weit in das Altertum zurück. Sie gehört zu den ältesten Zauberpflanzen. Die Druiden schnitten sie mit goldenen Sicheln von den Bäumen und verwendeten sie als eine Art «Allheilmittel». Sie wurde gegen Epilepsie, Schwindel, Leberleiden, gegen Fieber oder auch als blutstillendes Mittel verabreicht. In der heutigen Zeit wird sie vor allem in der Behandlung tumoröser Erkrankungen eingesetzt. Aus der anthroposophischen Medizin kommend, wurde in der Schmarotzerpflanze ein analoges Prinzip zu den Krebsleiden der Menschen gesehen. Ein Einsatzgebiet, welches sich später wissenschaftlich bestätigt hat.
Inhaltsstoffe und Wirkung
Die Mistel enthält verschiedene biologisch aktive Inhaltsstoffe, von denen fünf für die antitumorale und immunmodulierende Wirkung verantwortlich sind: Mistellektine, Viskotoxine, basische Proteine, Polysaccharide und Flavonoide. Daneben aber auch noch viele weitere Inhaltsstoffe, von denen viele noch genauer untersucht werden müssen. Schon weit erforscht sind die Wirkungen der Mistellektine. Sie aktivieren das unspezifische Immunsystem und regen die Neubildung von Lymphozyten an.
Mistellektine wirken zudem indirekt (über die Induktion immunologischer Mechanismen) und direkt zytotoxisch auf Körperzellen, ohne jedoch gesunde Zellen zu schädigen. Nur bei direktem Kontakt mit dem Tumor wird ein Effekt erzielt. Auch die Rate an unerwünschten Wirkungen einer Chemotherapie kann durch Mistel gesenkt werden. Eine Misteltherapie sprechen Sie aber immer mit einem Arzt oder Heilpraktiker ab, denn die Anwendung bei einer Tumortherapie (oder begleitend dazu) erfolgt meist in Form von Injektionen, die genau dosiert und überwacht werden müssen.
In der traditionellen Medizin wird die Mistel als Blutdruckregulans mit mild blutdrucksenkender Wirkung bei arterieller Hypertonie angewendet. Der blutdrucksenkende Effekt stellt sich erst nach längerem, kurmäßigem Gebrauch ein und lindert auch Arterioskleroseerscheinungen und Kopfschmerzen. In der Erfahrungsheilkunde hat die Mistel auch einen guten Ruf als herzstärkendes Mittel nach Infektionskrankheiten.
Außerdem werden die Stängel der Mistel als Beruhigungsmittel bei nervöser Unruhe, Angst und bei geistigen und körperlichen Erschöpfungszuständen eingesetzt. Bei allen Indikationen außer bei der Tumortherapie wird die Droge in Form von Tee, Tinktur, als Pulver oder Fertigpräparat angewendet.
Mythos Mistel
Interessanterweise steht die Mistel als Pflanze, die bei tödlichen, tumorösen Erkrankungen eingesetzt wird, auch im Zentrum vieler Mythen, die sich um Tod, Sterben und die Unterwelt drehen. Man betrachtete sie geradezu als einen Schlüssel, um in die Unterwelt einzudringen. Merkur beispielsweise öffnete mit einem Mistelzweig die Pforten des Hades, um die verstorbenen Seelen in das Reich der Toten zu begleiten. Auch der germanische Gott Baldur wurde mit einem Mistelzweig erschossen.
Und so gibt es viele weitere Beispiele, wo die Mistel als ein Werkzeug des Bösen gesehen wurde, aber immer auch als sehr machtvolle Pflanze. Amulette aus Mistelzweig konnten vor Bösem, Hexerei und Alpträumen schützen, mit ihrer Zauberkraft, so glaubte man, konnte man Diebe vom Haus fern halten und sein Heim vor Blitzschlag schützen.
Auf der anderen Seite galt die Mistel auch als Fruchtbarkeitssymbol. Fand ein Mädchen eine Mistel auf einem Apfelbaum, so würde es bald heiraten. Traf es einen Mann unter einer Mistel an, so musste sie sich von ihm küssen lassen und Brautleute küssten sich unter einem Mistelzweig, damit die Ehe glücklich und fruchtbar war.
Kommt Ihnen der Weihnachtsbrauch, eine Mistel über den Türrahmen zu hängen, jetzt irgendwie bekannt vor? Nun wissen Sie, woher er kommt. Heute leicht zweckentfremdet? Nun ja, mag sein. Aber auch Küssen stärkt das Immunsystem nachweislich und Glückshormone breiten sich in uns aus, da ist der Grund wahrscheinlich zweitrangig. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich habe eben den Beitrag über die Mistel gelesen und war wirklich überrascht. Für mich war sie bislang eher ein Schmarotzer. Bekannt war mir lediglich die Geschichte mit dem Küssen:). Auch andere Beiträge finde ich sehr informativ. Hier werde ich wohl öfter mal stöbern.