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Fachkräftemangel ist aktuell wohl auf dem besten Weg das Unwort eines ganzen Jahrzehnts zu werden. Doch dabei ist es manchmal gar nicht so schwer wie es scheint, den richtigen Mitarbeiter für Ihr Unternehmen zu finden. Doch was wünschen sich eigentlich Bewerber von Unternehmen? Was sagt die Statistik und wie kann man sich die Suche mit Empathie und individuellem Handling mit den verschiedenen Generationen verbessern?
Um das Verhalten der Bewerber besser zu begründen, müssen die Rahmenbedingungen noch einmal beleuchtet werden. Dass der demographische Wandel in Deutschland immer weiter fortschreitet, ist inzwischen bekannt und häufig diskutiert. Was allerdings häufig unbemerkt bleibt, ist, welchen Einfluss der demographische Wandel auf das Verhalten der Erwerbstätigen bzw. Bewerber auf dem Arbeitsmarkt nimmt.
Demographischer Wandel auf dem Arbeitsmarkt
Seit dem Jahr 1972 hat Deutschland ein negatives Bevölkerungswachstum. Die Fertilitätsrate sank in den vergangen Jahrzehnten weiter ab oder stagnierte. So liegt Deutschland im EU- und weltweiten Vergleich jeweils auf den letzten Plätzen (vgl.statista.de 2017). Neben der sinkenden Fertilitätsrate sinkt auch die Mortalitätsrate in Deutschland seit ca. 130 Jahren stetig (vgl. Bollwitt 2010, S. 13ff.).
Die Lebenserwartung in Deutschland liegt laut aktuellen Daten des Bundesamts für politischen Bildung bei den Frauen bei über 80 und bei Männern über 75 Jahren (vgl. Bundesamt für Bevölkerungswachstum 2017). Auch der Zuwanderungsüberschuss aus dem Jahr 2015/2016 wird den Trend des demographischen Wandels nicht verkleinern. Der Altersquotient wird sich nur minimal verändern und den Prozess verzögern, aber große Änderungen bleiben aus (vgl. Demografie Netzwerk 2017).
Allein diese Entwicklung macht deutlich, dass die Erwerbsfähige Bevölkerung immer kleiner wird und gerade die Versorgung im Gesundheitswesen auf Grund der alternden Bevölkerung immer notwendiger und aufwendiger wird. Verschärft wird diese Situation durch das Ausscheiden der Baby-Boomer-Generation aus dem Beruf seit 2015. Diese wurden etwa zwischen 1946 und 1964 geboren und kommen nun Stück für Stück ins rentenfähige Alter und machten etwa zum Zeitpunkt des Jahres 2010 acht Millionen Erwerbstätige aus (vgl. Bollwitt 2010, S. 17).
Für Unternehmen eine Umsatzeinbuße
Das dies nicht nur Einfluss auf die Arbeitswelt hat, sondern aktuell und in Zukunft für die Unternehmen vor allem eine Umsatzeinbuße darstellt, belegen folgende Zahlen:
Durch die nicht zu besetzenden Stellen und diese seit vielen Jahre bekannte Entwicklung sind allein durch mangelnde Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette deutscher Unternehmen ein Verlust von 18,5 Milliarden Euro entstanden (ebd. 2010, S. 22).
Das ganze kann an dem Beispiel einer Berufsgruppe schlicht noch einmal verdeutlicht werden: Die Entwicklung der Pflege in Deutschland: Hier kommt nun noch ein weiterer Aspekt hinzu: Durch den akuten Mangel von Fachkräften in der Pflege und dem stetig steigenden Bedarf von Pflegefachpersonen, kommen mehrere Probleme auf die Gesundheitsbetriebe zu. Denn allein in den Betrachtungsjahren von 2007 zu 2008 sind die Pflegefachkraft-Patient-Relationen um knapp 3 Patienten mehr pro Pflegefachperson gestiegen, also von 59 auf 61,5 Fälle pro Jahr. (vgl. Isfort 2009, S. 5). Das bedeutet, dass die Anforderungen wachsen, die Patientenzahlen zunehmen, aber Stellen der Pflegefachpersonen unbesetzt bleiben (vgl. ebd. 2009, S. 6).
Diesen Trend spüren nicht nur die Arbeitgeber, sondern vor allem die Pflegefachpersonen selbst. Denn das Interesse an Ihnen von Seiten der Arbeitgeber steigt stetig an Pflegefachpersonen (Ptak 2015).
Häufig kommt hier noch ein erschwerendes Phänomen hinzu. Gerade junge Menschen denken immer häufiger über das Verlassen ihres gelernten Berufs nach. Genau die Gruppe an Erwerbstätigen, die gehalten werden sollen. Dieser Punkt vereinfacht die Situation gerade für die Arbeitgeber nicht. Allerdings gibt es den erwerbstätigen und erwerbsfähigen Fachkräften Verhandlungsspielraum über ihre Arbeitsbedingungen (Hasselhorn 2003, S.116ff.).
Deutlicher Wandel zur Einstellung an die Arbeit
Um die Entwicklungen des sich ändernden Verhaltens lässt sich wie folgt noch einmal graphisch darstellen:
In dieser werden die sich in Zukunft und teilweise heute schon ergebenden Diskrepanzen zwischen Angebot an Erwerbstätigen im Allgemeinen und Bedarf an Fachkräften dargestellt. Hierbei beschreibt die rote Gerade jeweils den Bedarf der jeweiligen Qualifikationsgruppe und die blaue Gerade die des vorhanden Arbeitsangebots für den gesamten Arbeitsmarkt in Deutschland. Um das soeben genannte Beispiel zu vertiefen: Die Pflege ist dabei im sekundären Bereich mit abgebildet, also den beiden mittleren Geraden. Hier ist deutlich, dass schon seit 2015 Angebot und Bedarf auseinander gehen.
Neben den klassischen Gründen, wie Demographie und Fachkräftemangel selbst spielen auch die erwerbstätigen Generationen eine Rolle. Die aktuell erwerbstätigen Generationen lassen sich in drei Gruppen gliedern.
Babyboomer
Zum einen sind dies die Generation der Babyboomer (geboren 1946-1964), diese legen auf Grund des Erlebens der Nachkriegszeit ein ausgeprägtes Konsumverhalten an den Tag. Sie sind damit laut Literatur sehr auf ihren persönlichen Besitz fixiert. Sie sehen Arbeit als reinen Versorgungsaspekt für ihre Familie und stellen ihre eigene Selbstverwirklichung in den Hintergrund. Die Generation ist geprägt von Leistungsfähigkeit und Fleiß. Allerdings scheidet diese wie oben beschrieben aus der Erwerbstätigkeit aus und bildet somit nur noch bis 2020 die stärkste Gruppe (vgl. Ptak 2015, S. 140ff).
Generation X
Die zweite Gruppe ist die Generation X (geboren 1960-1971). Sie gelten bereits als eine geburtenschwache Generation, die meist mit zwei arbeitenden Elternteilen groß wurde. Es fehlte ihnen laut Literatur an Fürsorge und Anerkennung. So sehen sie die Familiengründung und Arbeit nur als Möglichkeit den Lebensweg zu gehen, aber nicht mehr als Pflicht (vgl. ebd., S. 140ff).
Generation Y
Die dritte Gruppe wird hingegen Generation Y beschrieben (geboren 1980-2000). Der Name beschreibt diese Generation bereits sehr treffend, denn die Aussprache des Englischen Y gleicht dem Wort «Why» Denn diese Generation hinterfragt viele Wertvorstellungen und bestehenden Gesellschaftsstrukturen, sowie Arbeitsbedingungen und -strukturen. Sie werden laut der Kienbaumstudie von 09/10 als eine «Anspruchsvolle, optimistische, selbstbewusste, erfolgsgetriebene, einfallsreiche und zugleich ungeduldige und schnell gelangweilte» Generation beschrieben.
Weiter werden sie noch als «moralisch, sozial verantwortungsvoll, affin zur Informationstechnik, direkt, offen und teilen Ideen und Infos» beschrieben. Sie fordern vor allem persönliche Entwicklung am Arbeitsplatz und streben nach einem Ausgleich zwischen Arbeit- und Freizeit (vgl. Ptak 2015, S. 144). Im Moment ist diese Gruppe die zweitstärkste unter den Erwerbstätigen und wird ab 2020 die Babyboomer ablösen.
Es lässt sich allein an der Beschreibung der Genrationen ein deutlicher Wandel zur Einstellung an die Arbeit und somit den Arbeitgeber erkennen. Es wird deutlich, dass diese Generationen unterschiedliches bieten und viel vom Arbeitgeber verlangen und den oben genannten Spielraum für Forderungen erkannt haben (vgl. Ptak 2015).
Generation Z
Die jüngste Generation ist die Generation «Z» (geboren ab 1995). Diese Generation unterscheidet sich noch einmal deutlich von der Generation Y. Sie gelten als die Generation der «Digital Natives», die mit der Digitalisierung groß und schon beinahe erzogen worden sind. Diese Generation nutzt andere Wege der Vernetzung und nutzt das Smartphone für alle und in allen Tätigkeiten (Hesse 2015, S. 78ff.).
Die Generation Z ist zielstrebig, will nicht kontrolliert oder fremdgesteuert werden. Ihnen ist das persönliche Einkommen wieder sehr wichtig und sie sind auch bereit viel Leistung zu erbringen. Dabei streben sie nach kontinuierlichem Feedback, da sie seit klein auf bewertet wurden und sich daran messen (vgl. Hesse 2015, S80ff.)
Doch gerade im Zeitalter des Fachkräftemangels müssen auf ihre Einstellungen eingegangen werden, um sie einzustellen und zu binden. Wie diese genauen Forderungen der Generationen aussehen wird im Folgenden beschrieben.
Wünsche und Erwartungen an den Arbeitgeber
Durch das neue Rollenverständins, gerade der jungen Generationen steht der Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie häufig im Vordergrund. Dieser solldurch flexible Arbeitszeiten und Angeboten zur Unterstützung von Kinderbetreuung umgesetzt werden (vgl. Bollwitt, S. 22).
Ein ähnlicher Trend lässt sich bei der Generation Y erkennen. Wie oben beschrieben sind sie eine unabhängige Generation, die sehr fortschrittlich, offen ist und direkte Forderungen stellt. Sie legt einen hohen Wert auf möglichst flexible Arbeitszeiten und setzt vor allem ihre Freizeitgestaltung in den Vordergrund. Sie fordern ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben und legen deutlich mehr wert auf die Bedingungen der Arbeitswelt, als auf die Bezahlung. Diese Generation setzt diese Wünsche gerade neben dem Bewusstsein des bestehenden Fachkräftemangelsein und auch konsequent um (vgl. Ptak 2105).
Probezeit und befristete Arbeitsverträge vermeiden
Durch alle Generationen der Erwerbstätigen auch Pflegefachpersonen zieht sich folgendes Verhalten:
Auf Grund der oben beschrieben Entwicklungen möchten die Erwerbstätigen eine Probezeit und befristete Arbeitsverträge vermeiden. Weiter ist es ihnen wichtig zu wissen, was genau das Unternehmen sucht, wie stabil es ist und welche Zukunftsstrategie es hat. Für sie selbst spielt es vor allem aber auch eine große Rolle, wie die Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Unternehmen sind (vgl.von Klimesch 2014, S. 11).
Speziell der Fachkräftemangel hat den Einfluss, dass sich in diesen Fällen eigentlich nicht mehr die Bewerber bei den Unternehmen bewerben, sondern die Unternehmen bei den Bewerbern, bzw. potentiellen Mitarbeitern (ebd. 2014, S. 12).
Die Literatur geht sogar soweit zu sagen, dass «gut ausgebildete Fachkräfte mittlerweile bei den Unternehmen die Richtung vorgeben und die Arbeitsbedingungen diktieren.» (vgl. Heider – Winter 2014, S. 6).
Laut Befragungen aus dem Jahr 2010 ergeben sich für Arbeitnehmer folgende Kriterien zur Wahl künftiger Arbeitgeber, wie in Abbildung neun beschrieben.
Dazu sind folgende drei Punkte am wichtigsten:
- Ein gutes Arbeitsklima, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Arbeitsplatzsicherheit.
- Die Arbeitsplatzsicherheit spiegelt sich in dem Wunsch nach unbefristeten Verträgen, Transparenz, der Zukunftsstrategie des Unternehmens und der wegfallenden Probezeit wieder.
- Karrierechancen und Weiterentwicklungs-Möglichkeiten stehen noch vor der Vergütung.
Die Qualität des Managements, also der Führungsstil sowie die eigene Übernahme von Verantwortung im Unternehmen spielen eine wichtige Rolle. So werden inzwischen flache Hierarchien stark bevorzugt und der überholte Gutsherrenstil negativ betrachtet (vgl. v. Klimesch, S. 22ff.).
Gerade die Generation Y zieht flache Hierarchien vor und setzt diese als wichtiges Kriterium an (vgl. Ptak 2015).
Interessant ist, dass allerdings der Erfolg und Ruf des Unternehmens, sowie das Produkt oder die Dienstleistung gespalten betrachtet werden. Denn hier finden jeweils knapp 60% diese beiden Aspekte wichtig, aber wiederum zwischen 20-25% der Befragten finden Ruf und Erfolg des Unternehmens wie Produkts weniger wichtig. Hier lässt sich der Unterschied vor allem in Bezug auf die verschiedenen Wünsche, bzw. Einflüsse der Generationen vermuten.
Verhaltensänderung durch die digitalen Medien
Eine weitere wichtige Verhaltensänderung wird durch die digitalen Medien ermöglicht. Die Bewerber können nicht nur schnell nach verschiedenen Stellen suchen und die Angebote vergleichen, sondern haben die Möglichkeit sich gleichzeitig über die Arbeitsbedingungen auf Grund von Erfahrungsberichten verschiedener ehemaligen Bewerber oder Mitarbeiter zu informieren.
Hierfür gibt es neben den Jobportalen, wie oben beschrieben, auch Bewertungsportale wie kununu.com. Diese Seiten sind für die Bewerber auf der Suche nach der passenden Stelle vor allem in der Zeit des Fachkräftemangels spannend. Denn durch die Flut an Stellenausschreibungen kann man sich hier an Hand von Bewertungen anderer Mitarbeiter einen Überblick über den potentiellen Arbeitgeber machen. Sie können vor ablesen, wie zufrieden Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber sind und schon danach entscheiden, ob sie überhaupt eine Bewerbung abschicken (vgl. Tost 2012, S.9).
Kommentar von Ralf Wuzel
Ja, gehts noch!?
Ja und zwar immer weiter …!
Vor einigen wenigen Jahren wäre die Reaktion vieler Unternehmer auf die Headline des Artikels von Elena Wuzel gewesen:
«… ja, gehts noch! Traumarbeitgeber für jeden einzelnen Mitarbeiter, ja wovon träumt die nachts.» Heute träumen die Unternehmer, allerdings relativ unruhig, von besetzten Stellen, genügend Auszubildenden und zufriedenen Mitarbeitern.
Ja, geht´s noch?
Seit langem ist klar, wir Unternehmer müssen uns bei den Mitarbeitern bewerben. Wir haben seit Jahren das erste mal die Situation, dass wir in Deutschland mehr Ausbildungsstellen als Auszubildende haben. Ersatzinvestitionen beim Produktionsfaktor Mensch tätigen, Wunschdenken! Ich glaube viele Unternehmer dachten, Wunschdenken macht sie zum Wunscharbeitgeber.
Wer fragt schon nach Gesundheit?
Gesundheitstage in Unternehmen waren mehr Poltikum als durchdachtes Gesundheitsmanagemt. Wenn ich noch vor zwei Jahren von Mitarbeitergesundheit sprach und Unverständnis erntete, fragen mich heute dieselben Unternehmer, was und wie schnell sie etwas tun können. «Gesundheit, ich bitte Sie, wer fragt schon noch Gesundheit und was das Unternehmen auf diesem Gebiet für seine Mitarbeiter macht?» Die Antwort wäre: fast alle Bewerber fragen in einer Form bei ihren Personalgesprächen danach.
Selten hatten wir soviel verschiedene Generationen in einem Unternehmen. Generationen, die sich so unterschiedlich verhalten, allein schon im Umgang mit dem Internet. Und Burnout? Reden wir lieber über etwas anderes.
Diese Themen beschäftigen uns an unserem Event. Viele Gründe mehr für Sie zu kommen.