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Johanniskraut (Hypericum perforatum) zählt zu den Johanniskrautgewächsen und wächst bevorzugt auf Wiesen, an Wegrändern, Dämmen, Feldrainen und lichten Wäldern in ganz Europa und im Westen Asiens. Weltweit gibt es etwa 400 verschiedene Hypericum-Arten.
In unserem Raum wachsen oft bis zu neun verschiedene Johanniskrautarten nebeneinander. Typische Merkmale des medizinisch wirksamen echten Johanniskrauts sind die zweikantigen Stengel und die wie perforiert aussehenden Blätter (Sitz der Öldrüsen). Zerreibt man die Blüten des echten Johanniskrauts zwischen den Fingern, sieht man die typische Rotfärbung.
Auch in den Blüten sitzen die Öldrüsen, die fette Öle, Harze und ätherische Öle mit den roten Farbpigmenten Hypericin, einem der Hauptwirkstoffe der Pflanze, beinhalten.
Die Verwendung von Johanniskraut reicht lange zurück
«Hypericum» kommt aus dem Griechischen und setzt sich aus «hyper=über» und vermutlich «Eikon=Bild» zusammen. Dies weist darauf hin, dass die Pflanze die menschliche Seele über die bedrohlichen inneren Bilder, über die Dämonen, erhebt. «perforatum=durchlöchert» weist auf die wie perforiert aussehenden Blätter hin.
Inhaltsstoffe
Wir finden in dieser Heilpflanze 2-4% Hyperforin und Hypericine, in den Blüten ist die Konzentration höher als im Kraut. Weitere Wirkstoffe sind Flavonoide (2-4%), Gerbstoffe (6-15%), ätherisches Öl mit dem Abbauprodukt der Hopfenbuttersäure und weitere Inhaltsstoffe. Der Geruch der Pflanze ist schwach aromatisch, der Geschmack herb-bitter und zusammenziehend.
Wirkungen
Innerlich angewandt wirkt die Droge stimmungsaufhellend, angstlösend, mild sedierend und mild leistungs- und herzkraftfördernd. Die Hypericine sind die auffälligste Substanzgruppe im Johanniskraut. Sie verleihen dem Extrakt oder dem Öl seine rote Färbung und intensive Fluoreszenz. Hypericine sind photodynamisch und bewirken eine erhöhte Lichtutisilation. Das bedeutet, die menschliche Haut zieht nach der Einnahme einen höheren Nutzen aus der vorhandenen Lichtmenge. Johanniskraut wirkt auch viruzid, u.a. auch gegen Bornaviren, die ihrerseits Depressionen auslösen können. Auch bei akut-infektiösen Durchfällen kann man an Johanniskraut denken, der hohe Gerbstoffgehalt wirkt hier durchfallhemmend.
Äußerlich ist die Pflanze ein unverzichtbares Wundheilmittel. Die ölige Zubereitung («Rotöl») wirkt entzündungshemmend, zusammenziehend bei Wunden, antibakteriell (man spricht sogar von einem Breitbandantibiotikum), es fördert die Wundheilung, lässt Narben besser verheilen und wirkt schmerlindernd.
Anwendungen und Indikationen
Äußerlich wird Johanniskraut bei Schnitt- und Schürfwunden, Prellungen, Verstauchungen und Verrenkungen, Verbrennungen 1.Grades, Sonnenbrand, Nervenschmerzen, Hexenschuss, verspannter Muskulatur, Gürtelrose und bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. Hier oft in Form des Rotöls (Zubereitung am Textende).
Innerlich hilft die Droge bei psychovegeativen Beschwerden, bei leichten bis mittelschweren Depressionen, bei Angstzuständen, bei Winterdepression, nervöser Unruhe, Erschöpfung und Burn-out-Syndrom. Außerdem hilft Johanniskraut bei Schlafstörungen, Wetterfühligkeit, Wechseljahrsbeschwerden, Migräne und Reizblase. Es kann ein wertvolles Tonikum und Energielieferant in der Rekonvaleszenz und bei Schwächezuständen sein.
Man kann die Pflanze als Tee zubereiten oder als Tinktur, als Öl oder in Form von Frischpflanzenpresssaft oder Fertigpräparaten nutzen.
Hinweis
Man sagt so schön «Johanniskraut macht glücklich, aber erst nach 14 Tagen.» Und das stimmt auch. Man muss die Droge lange und hoch genug dosieren, weil der Wirkungseintritt erst allmählich einsetzt. Nach 8 Tagen beginnt die Wirkung und entfaltet die höchste Wirksamkeit dann etwa nach 2-3 Wochen. Die Einnahmedauer beträgt meist 3-6 Monate und sollte nicht im Winter beendet werden (Lichtmangel!).
Der Vorteil von Johanniskrautpräparaten liegt in der guten Verträglichkeit im Gegensatz zu synthetischen Antidepressiva. Keine der typischen Nebenwirkungen von synthetischen Produkten wurde bei der Einnahme von Johanniskraut beobachtet!
Nebenwirkungen
Eine mögliche Nebenwirkung ist die Photosensibilisierung, jedoch ist dies sehr selten und tritt meist nur bei sehr hellhäutigen Menschen auf. Trotzdem sollte man vorsichtshalber auf sehr intensive Sonnenbestrahlung während der Einnahmezeit verzichten.
Nicht verwenden sollte man die Pflanze bei schweren endogenen Depressionen. Und auf jeden Fall ist auf eine Wechselwirkung mit Johanniskraut bei Einnahme von verschiedenen Präparaten zu achten.
Wie stelle ich ein gutes Rotöl selbst her
Ich gehe immer um den Johannistag herum (24.Juni) bei schönem Wetter mein Johanniskraut ernten. Die Zweige werden nicht gewaschen, nur ordentlich ausgeschüttelt und verlesen. Den oberen Pflanzentrieb mit vielen Blüten, die gerade geöffnet sind abreißen oder schneiden. Ich gehe immer kurz mit dem Nudelholz ein paarmal über die Blüten und das Kraut hinweg, um die Blattstrukturen etwas zu zerstören, dann gibt die Pflanze ihre Wirkstoffe besser her.
Das Glas in ein sonniges Fenster stellen und mind. 6 Wochen warten. Immer mal das Glas bewegen. Sie können nun wunderbar beobachten, wie sich das Öl rot umfärbt. Nach ca. 8 Wochen abseihen und ich eine frische Flasche umfüllen. Fertig! Nun können Sie es nutzen.
Geschichte und Mythologie
Zerreibt man die Blüten und das Kraut zwischen den Fingern, verfärbt sich dieses blutrot. In vielen Fällen ist deshalb das Blut ein Symbol der Pflanze. Das Blut Baldurs (der lichte sonnige Gott der Germanen), der zur Sonnenwende geopfert wurde. Oder als Johannes der Täufer geköpft wurde, spritze Blut auf die Erde und an dieser Stelle wuchs das Johanniskraut. Auch Dioskurides nannte die Pflanze «androsaimon=Männerblut».
Da verwundert es nicht, dass Johanniskraut als eines der wichtigsten Wundheilmittel galt. Schon 1525 beschreibt Konrad von Megenburg die Wirkung des Krautes als Heilmittel „gegen die tollen Geister“ und „Phantasien, die die Menschen in Bedrängnis bringen“. Auch Paracelsus erfasste schon die Wirkung als Antidepressiva.
Mit Johanniskraut wurde auch geräuchert
Schutzräucherungen gegen Besessenheit oder einfach, um das Haus und Vieh vor Gewitter und Blitzschlag zu schützen. Eine besondere Wirkung wurde schon immer dem Johanniskraut zugesprochen, welches am 24.Juni, dem Johannistag, geerntet wurde. Dieser Tag ist der längste und hellste im Jahr. Deshalb wird es oft auch als Sonnwendkraut bezeichnet. Der Mensch konnte so, bildhaft gesprochen, mit Lichtenergie aufgeladen werden.
Neben der Sonne bestand auch eine enge Verbindung zur Venus oder im germanischen Raum zu Freia, den Göttinnen der Liebe. Hypericum diente oft als Liebesorakel. Auch sollte mit einer Räucherung des weiblichen Unterleibs die Fruchtbarkeit verbesser und später auch die Geburt erleichtert werden.
Da die Pflanze eine derart gute und heilkräftige Pflanze war, sagt man, dass der Teufel in seiner Wut darüber mit einer Nadel über die Pflanze herfiel und sie tausendmal durchlöcherte. Hält man die Pflanze gegen das Licht sieht man noch heute die feine Perforation der Blätter (die Öldrüsen). Paracelsus ordnet die Pflanze deshalb auch Mars, dem Kriegsgott der Römer zu. Eine Heilwirkung bei allen Arten von Verletzungen ist hier naheliegend.
Johanniskraut in Form eines Rotöls gehört wahrscheinlich in jede Hausapotheke. Ich trockne mir auch immer einen Teil und mache davon zusammen mit Melisse einen schönen Entspannungstee im Herbst.