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Stress ist in Unternehmen ein immer größer werdendes Problem. Insbesondere in unserer heutigen Zeit, in der die Geschwindigkeit der Arbeitswelt gefühlt mehr und mehr steigt und immer mehr in immer kürzerer Zeit erledigt werden will und muss. Die steigende Gefahr von krankmachendem Stress – nicht zuletzt durch die inneren Antreiber in der menschlichen Persönlichkeit – ist allgegenwärtig. Mit allen vorstellbaren Auswirkungen für Mensch und Unternehmen: Sinkende Leistungsfähigkeit, größeres Konfliktpotenzial, Erschöpfungs- und Überforderungsgefühle, steigende Fehlerquoten, steigender Krankenstand, Burnout.
Das immer schneller werdende Arbeitstempo
Ich selber habe in mein bisheriges Arbeitsleben rund 20 Jahre in einer durchaus tempogetriebenen Branche verbracht: Dem Bereich Marketing & Werbung. Wenn ich mir diese Branche und die Entwicklungsgeschwindigkeit heute anschaue, dann denke ich immer wieder gerne an meine Ausbildungszeit vor ca. 20 Jahren zurück. Damals arbeitet ich in einer mittelständischen Werbeagentur und wir hatten als Kunden einen Namenhaften deutschen Autobauer. Wir Betreuten die Vertragshändler und versorgten diese mit den benötigten Werbemedien.
Eine meiner Aufgaben war es damals dafür zu sorgen, dass die Werbeanzeigen gestaltet wurden und rechtzeitig beim Verlag bzw. bei der Druckerei waren. Abstimmungsprozesse und Druckfreigaben wurden – heute kaum mehr vorstellbar – noch per Fax durchgeführt. War dann eine Freigabe erteilt, wurde nicht, wie es heute gang und gäbe ist, einfach auf einen Knopf gedrückt und ein Datensatz von A nach B per Email oder anderen Datendiensten gesendet.
Nein: Es wurden damals noch analoge Lithografie-Filme ausbelichtet. Diese Filme waren vergleichbar mit Overheadfolien, nur, dass sie in großen Druckmaschinen zum Einsatz kamen, um die entsprechenden Anzeigenmotive auf das Papier zu bekommen. Es mussten auch aus logistischer Sicht völlig andere Vorlaufzeiten eingeplant werden. Denn der Versand per Post musste a. spätestens bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt sein und war dann auch nicht mehr zu widerrufen und b. dauerte der Postweg halt so lange wie der Postweg nun mal dauerte. Alles in Allem war es deutlich langsamer und ein Stück weit gemütlicher als heute.
War damals wirklich alles besser?
Keine Sorge: Ich werde hier nicht behaupten, dass damals alles besser war. Das war es mit Nichten. Es war nur anders. Denn Stress gab es in Unternehmen schon immer. Anders war vielleicht, dass der individuell gefühlt Stresslevel jedes einzelnen durch das geringere Tempo immer mal wieder von allein sinken konnte. Und trotzdem gab es damals wie heute ein gleichbleibendes Phänomen: Es gab schon immer Mitarbeiter, die gewisse Situationen als überbordenden Stress empfanden und andere, für die dieselbe Situation ein erholsamer Spaziergang war. Die große Frage, die sich damals wie heute stellt lautet: Wie kann das sein?
Warum kann der eine Mitarbeiter problemlos 50 Stunden arbeiten und das auch noch den ganzen Tag unter Volldampf? Und wieso kippt ein Anderer schon bei der kleinsten Unregelmäßigkeit um?
Um dieses Phänomen zu verstehen dürfen wir uns zwei wichtige Grundlagen bewusst machen:
- Vollkommen egal ob wir das Arbeits- oder das Privatleben betrachten: Es ist immer ein und derselbe Mensch.
- Jeder Mensch ist individuell und im jetzt die Summe seiner Erfahrungen der Vergangenheit.
Beide Sätze hören sich nicht grade neu an und sind wahrscheinlich weitläufiger Konsens. Und trotzdem sind sie für das Verständnis des individuellen Stresses elementar.
Der Mensch ist immer nur eins
Auch wenn das manche Unternehmer nicht gerne hören werden: Kein Mitarbeiter kann das Privatleben und das Berufsleben komplett trennen. Die Arbeit und die Arbeitsleistung werden immer beeinflusst vom privaten. Und umgekehrt wird das Private immer beeinflusst vom Beruflichen. Der Mensch agiert in jedem Moment als Einheit.
Von Unternehmensseite wird in diesem Zusammenhang gerne argumentiert: «Was kümmert mich denn das Privatleben der Mitarbeiter? Die müssen mit ihrem Leben schon selber klarkommen. Sie werden ja hier immerhin für ihre Arbeit bezahlt, nicht für ihr Privatvergnügen.» Da ich selbst seit vielen Jahren Unternehmer bin, kann ich diese Sichtweise durchaus nachvollziehen und weiß gleichzeitig, dass sie deutlich zu kurz greift. Denn: Der Mensch agiert in jedem Moment als Einheit.
Wenn ein Mitarbeiter im privaten eine akute oder sogar eine lang andauernde, stressende Herausforderung hat, dann kann das durchaus eine gravierende Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit und auf das individuelle Stressempfinden des betreffenden Mitarbeiters haben. Und dabei ist es egal, ob es sich um ein A-, B- oder C-Mitarbeiter handelt.
Aber Vorsicht: Ich will damit nicht sagen, dass das Unternehmen die privaten Probleme der Mitarbeiter lösen soll. Und dennoch ist für das Verständnis der Zustände im Unternehmen wichtig, sich dieser privaten Komponente bewusst zu sein. Denn oftmals ist es, wenn im Unternehmen – eigentlich – gar kein oder wenig Stresspotenzial herrscht ein erster guter Schritt für den stressgeplagten Mitarbeiter, dass er sich in seiner «Not» gesehen und angenommen fühlt.
Wir sind die Summe unserer Erfahrungen
Und genau dieses gesehen und angenommen fühlen ist auch schon der zweite eigentlich so triviale Aspekt: Jeder Mensch ist heute die Summe seiner Erfahrungen aus der Vergangenheit. Und genau diese Summe der Erfahrungen bzw. die generalisierten Regeln, die wir aus dieser Summe an Erfahrungen gebildet haben, stehen in einem engen Zusammenhang mit dem individuellen Stressempfinden.
Wenn wir auf die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit schauen, dann sind es in etwa die ersten 6 Lebensjahre, die tiefe und nachhaltige Prägungen hinterlassen: Es ist die Zeit, in der das Kind von den Eltern abhängig ist. Und nicht nur das. In der Welt des Kindes haben die Eltern eine Art Götter-Status. Alles, was die Eltern sagen und tun wird im Sinne der kindlichen Seele als Wahrheit angesehen. Und da das Kind versucht, die Zuneigung und die Liebe von den Eltern zu bekommen, verhält es sich entsprechend der elterlichen Regeln, bzw. dem, was das Kind als Regel interpretiert. Denn so kann es sich sicher sein, dass im Familienverbund zu bleiben.
In der Transaktionsanalyse wurden diese Regeln erstmals kategorisiert und in dem Modell der «Inneren Antreiber» zusammengeführt. Nach den heutigen Weiterentwicklungen des Modells sprechen wir unter anderem von den folgenden inneren Antreibern, die für gewisse Persönlichkeitseigenschaften und Arbeitsstile stehen:
- Beeil dich
- Sei perfekt
- Sei beliebt
- Streng dich an
- Sei stark
- Sei vorsichtig
- Ich kann nicht
Diese Inneren Antreiber stellen auch für den Erwachsenen noch ein unbewusst wirkendes Set an Regeln dar, nach denen er sich im Alltag – egal ob beruflich oder privat – richten muss.
Der innere Antreiber «Sei perfekt»
Die Auswirkungen dieser Antreiber will ich anhand des Beispiels «Sei perfekt» erläutern: Was das Kind möglicherweise in der Interaktion mit den Eltern gelernt hat ist, dass es nur «richtig» ist, wenn es keine Fehler macht. Jetzt kann die Lernerfahrung entweder durch das übernehmen des elterlichen Verhaltens gemacht worden sein oder dadurch, dass die Eltern gemachte Fehler regelmäßig mit Kritik und einem gefühlten Liebesentzug quittiert haben. Diese Lernerfahrung ist so tief im unbewussten Teil der menschlichen Persönlichkeit verankert, dass es sogar im Erwachsenenalter noch als ungeschriebenes Gesetz Wirkung hat.
Jetzt ist dieses ungeschriebene Gesetz nicht per se schlecht. Es kann sogar dazu führen, dass der Jugendliche sich – weil er keinen Fehler machen will – besonders in der Schule anstrengt und in der Folge auch gute Noten schreibt. Im Arbeitsleben kann dieser Antreiber ebenfalls positive Auswirkungen haben: Ein engagierter Mitarbeiter, der während der Arbeit wenig Fehler macht und auf der Karriereleiter schnell nach oben klettert.
Doch es gibt – wie so oft – auch eine Kehrseite. Denn der Mitarbeiter, der mit diesem inneren Antreiber ausgestattet ist, wird sich, auch wenn die Arbeitslast und das Tempo steigt, keinen Fehler erlauben wollen. Er wird, um dem abgespeicherten elterlichen Gesetz gerecht zu werden nicht nur an die eigenen Grenzen gehen, sondern tendenziell eher darüber hinaus. Und selbst das wird nicht ausreichend sein. Denn der korrespondierende Selbstglaube bzw. identitätsbildende Glaubenssatz wird lauten «Ich bin nicht gut genug», egal wieviel ich mich anstrenge. Die Latte wird immer höher gelegt, bis der Mitarbeiter unter der selbst auferlegten Last einknickt und das Leistungsvermögen sichtbar und gravierend einbricht.
Es ist immer die Summe der einzelnen Teile
Wenn wir uns also mit dem Faktor Mensch und dem Thema Stress beschäftigen, dann gilt es immer verschiedene Dimensionen im Blick zu behalten. Auf der einen Seite ist es wichtig, neben den Dynamiken am Arbeitsplatz die gesamte Lebenssituation des Menschen im Blick zu haben. Auf der anderen Seite ist es ebenfalls wichtig zu verstehen, wie der Mensch im innen tickt. Eine Aufgabe, die eine gewisse Komplexität hat und durchaus die eine oder Führungskraft überfordern kann.
Genau aus diesem Grund bin ich der festen Überzeugung, dass Führungskräfte in erster Linie über persönliche Kompetenzen verfügen sollte. Die fachlichen Kompetenzen sind für die Erfüllung einer modernen Führungsaufgabe im Grunde genommen nur noch «schmückendes Beiwerk». Und dennoch bleibt eines festzuhalten: Ganz gleich wie ausgeprägt die persönlichen Kompetenzen einer Führungskraft sind, jedes Unternehmen ist in der heutigen Zeit gut damit beraten sich, das Wohlergehen und die psychische Gesundheit der Mitarbeiter nicht mehr dem Zufall zu überlassen. Genau dafür empfehlen sich mittlerweile kluge digitale Frage-Antwort-Systeme, die auf einfache Art und gleichzeitig wenig- bis nicht manipulierbar den wahren mentalen Belastungsgrad im Unternehmen zeigen.
Eines dieser Systeme ist mich Sicherheit die Verhaltensanalyse der Deutschen Gesellschaft für Stressdiagnostik und Prävention (DGFSP), die den Unternehmen zusätzlich auch die gesetzlich vorgeschriebene psychische Gefährdungsbeurteilung gleich mitliefert. Ein Win-Win-WinSituation für Mitarbeiter Unternehmer und die Unternehmen.