Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Um die Auswirkungen des Coronavirus für die Gesundheit so gering wie möglich zu halten, wurde eine Corona-Schutzverordnung erlassen. Wie ist es arbeitsrechtlich zu beurteilen und welche Sanktionen drohen, wenn die Mitarbeiter und Arbeitnehmer eines Unternehmens diese Regeln nicht einhalten? Wir wollen dazu einen realen und praktischen Fall betrachten.
Ein Spieler des Basketball-Bundesligisten Telekom Baskets Bonn, der auch Nationalspieler ist, erhielt eine Kündigung, weil er an einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen ohne ausreichende Schutzmaßnahmen teilgenommen haben soll und sich auch sonst wiederholt auf Social-Media-Kanälen ohne einen gebotenen Mundschutz in der Öffentlichkeit zeigte.
Grundsätzlich ist für die Beurteilung, ob und gegebenenfalls welche arbeitsrechtlichen Sanktionen bei einem Verstoß gegen Corona-Schutzvorschriften in Betracht kommen, entscheidend, welche Pflichten Arbeitnehmern insoweit obliegen, um sich und andere Arbeitnehmer vor einer Infektion mit dem Virus zu schützen. Diese Pflichten ergeben sich aus einem Zusammenspiel von vertraglichen, kollektivrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Vorschriften.
Der Arbeitnehmer hat Unfallverhütungs- und Arbeitssicherheitsvorschriften im Betrieb zu beachten. Zu großen Teilen sind diese im Arbeitsschutzgesetz geregelt.
AHA-Regeln als Bestandteil arbeitsvertraglicher Verpflichtungen
Die wenigsten Arbeitgeber aber auch Juristen wissen, dass im Rahmen der Corona-Maßnahmen im April 2020 ein sogenannter «SARS-CoV-Arbeitsschutzstandart» (C-ASS) erlassen wurde. Die dort aufgeführten Maßnahmen haben unter anderem den Zweck, dass Arbeitnehmer vor einer Ansteckung durch erkrankte Kollegen hinreichend geschützt werden sollen. Sie beinhaltet die Verpflichtung für den Arbeitgeber, dafür Sorge zu tragen, dass jeder die bestimmten, vorbeugenden Maßnahmen beachtet. Hierzu zählen die Mindestabstände von 1,5 m, die Händehygiene sowie unter bestimmten Voraussetzungen das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung (A-H-A-Regeln).
Umsetzung der Corona-Schutzverordnung
Der Arbeitgeber ist gezwungen entsprechende Unterweisungen seiner Mitarbeiter vorzunehmen und dazu Aushänge zu fertigen. In den Betrieben, in denen ein Betriebsrat oder ein Personalrat besteht, bedarf es überwiegend und zusätzlich zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung einer Betriebsvereinbarung. Durch diese rechtliche Konstruktion werden zum Beispiel die sogenannten AHA-Regeln Gegenstand der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen. Werden die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verletzt, kann der Arbeitgeber Sanktionsmöglichkeiten wählen.
Verstößt ein Arbeitnehmer gegen Arbeitsschutz-Vorschriften, kann ein Arbeitgeber verpflichtet sein, gegen diesen Arbeitnehmer rechtlich vorzugehen. Dies ist ein erheblicher Unterschied zu reinen Pflichtverletzungen in der Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, in welchem es dem Arbeitgeber freisteht, ob und welche Sanktion er wählt.
Schwerwiegende Konsequenzen bei Verletzung der Fürsorgepflicht
Bei Verstößen gegen Arbeitsschutz-Vorschriften sind dies keine Regeln, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart haben, sondern die durch gesetzgeberische Vorgaben in das Arbeitsverhältnis hineinwirken. Der Arbeitgeber hat alle Maßnahmen zu ergreifen, um insbesondere auch den Schutz vor einer Ansteckung durch erkrankte Arbeitnehmer zu verhindern.
Wegschauen kann für den Arbeitgeber und das Unternehmen kostspielig werden. In der rechtlichen Konsequenz bedeutet das, dass der Arbeitgeber auch bei einem Verstoß eines Arbeitnehmers gegen Corona-Schutzvorschriften die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung künftiger Verstöße zu ergreifen hat. Hier gilt, wie so häufig zu hören, das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Insbesondere muss der Arbeitgeber keine Maßnahmen ergreifen, die ihm unmöglich oder unzumutbar sind, weil sie einer rechtlichen Überprüfung durch die Gerichte nicht standhalten. Hier kommt das Grundverständnis der Demokratie zum Tragen, dass kein blinder Gehorsam verlangt wird, sondern eine sachliche Diskussion und Meinungsaustausch möglich ist und danach auch die Überprüfung durch die Gerichte.
Verletzt ein Arbeitgeber die ihm obliegende Fürsorgepflicht gegenüber Arbeitnehmern schuldhaft, das heißt zumindest fahrlässig, drohen ihm schwerwiegende haftungsrechtliche Folgen. Eine Erkrankung an Covid-19, die auf die Infektion im Arbeitsverhältnis und aufgrund Verletzung der Arbeitgeberpflichten zurückzuführen ist, wird in der rechtlichen Diskussion vielfach in die Nähe eines Arbeitsunfalls gestellt. Dies geht so weit, dass daran strafrechtliche Folgen geknüpft sind, weil die Verwirklichung von Straftatbeständen und Tatbeständen des Ordnungswidrigkeitenrechts denkbar sind.
Infektionsschutzgesetz als Maßgabe
Greift ein Arbeitgeber also nicht ein, wenn er wahrnimmt beziehungsweise hätte wahrnehmen können, dass Mitarbeitern die Schutzvorschriften missachten, so kann dies dazu führen, dass die Behörde nach Paragraph 28 Infektionsschutzgesetz sogenannte Schutzmaßnahmen trifft und in den unternehmerischen Bereich gravierend eingreift. So kann nicht nur die Unternehmensfortführung gefährdet sein, weil die Behörde das Betreten bestimmte Orte, so auch des Betriebes untersagt. Vielmehr können die Mitarbeiter in häusliche Quarantäne geschickt werden, was dazu führt, dass der Arbeitgeber seine Betriebstätigkeit nicht mehr fortführen kann beziehungsweise nur noch teilweise aufrechterhalten kann. Zugleich bleibt er gegenüber seinen Mitarbeitern verpflichtet, den Lohn und andere Entgeltleistungen zu erbringen.
Ferner können die Mitarbeiter Leistungsverweigerungsrechte ausüben. Sie müssten dann nicht mehr zur Arbeit kommen und könnten dennoch ihr Arbeitsentgelt verlangen.
Deshalb ist der Arbeitgeber gehalten, soweit ein Arbeitnehmer im betrieblichen Bereich gegen Corona-Schutzvorschriften verstößt, eine Abmahnung oder eine Kündigung auszusprechen. Der Kündigungsgrund, der hier auf der Hand liegt, ist das Fehlverhalten des Arbeitnehmers, wenn dieser gegen die ihm bekannten Corona-Schutzvorschriften verstößt. Es ist die arbeitsrechtlich benannte verhaltensbedingte Kündigung. Eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung dürfte vor den Gerichten nicht halten. Vielmehr ist dem Arbeitgeber unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze auch in diesem konkreten Fall zuzumuten, dem Arbeitnehmer mit der Abmahnung eine Chance zu geben, sich in Zukunft vertragstreu zu verhalten und damit auch Arbeitnehmer nicht mehr zu gefährden. Erst bei einem erneuten Verstoß nach Zustellung der Abmahnung kann erfolgreich eine verhaltensbedingte Kündigung gegenüber dem Mitarbeiter ausgesprochen werden.
Fehlverhalten in der Freizeit sanktionierbar?
Danach stellt sich die Frage, ob es solcher Sanktionsmöglichkeiten auch bedarf bei außerbetrieblichen Verstößen gegen Corona-Schutzvorschriften. Grundsätzlich begründet ein Arbeitsvertrag regelmäßig nur Rechte und Pflichten innerhalb des Arbeitsverhältnisses. In der Gestaltung seines Privatlebens ist ein Arbeitnehmer daher regelmäßig frei. Vorgänge im Privatbereich kommen deshalb nur dann als Kündigungsgrund in Betracht, wenn sie das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigen. Durch ein rechtswidriges, außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers werden berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer verletzt werden.
Das ist zum Beispiel dann außerdienstlich der Fall, wenn der Mitarbeiter in einer leitenden Position im Betrieb ist.
Abmahnung vor Kündigung
Was heißt das nun für unseren konkreten Fall mit dem Basketball Spieler? Als Erstes kann festgestellt werden, dass sein vermeintliches Fehlverhalten nicht während der Ausübung seiner Dienste erfolgt ist, die er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zu erbringen hatte.
Diese finden regelmäßig mit der Teilnahme am Training und am Spielbetrieb und seinem damit verbunden Verhalten statt. Das dem Spieler vorgeworfene Fehlverhalten erfolgte viel mehr außerhalb dieses Dienstverhältnisses in seiner Freizeit. Indem er ohne die AHA-Regeln, Sicherheitsabstände und Mundschutz an den Demonstrationen teilgenommen hat, besteht eine erhöhte Infektionsgefahr auch für seine Spielerkollegen und somit andere Arbeitnehmer. Darin liegt ein Pflichtenverstoß, den der Arbeitgeber sanktionieren kann beziehungsweise muss.
Dennoch dürfte eine Kündigung nicht zulässig sein, weil der Spieler nicht gegenüber anderen Mitarbeitern in leitender Position war. Es wird an dieser Stelle argumentiert, dass ein solcher Spieler als Nationalspieler eine erhöhte Vorbildwirkung hat und deshalb ein anderer Maßstab in der Beurteilung zulässig sei.
Ich vertrete die Auffassung, dass sehr streng zwischen dem Verhalten des Mitarbeiters bei der Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten und seinem Verhalten in seiner Freizeit getrennt werden muss. Nur in sehr engen Ausnahmen darf ein Fehlverhalten aus der Freizeit für eine arbeitsrechtliche Sanktion, insbesondere die der Kündigung, herangezogen werden.
Da jedoch bei den Corona-Regelungen besondere Schutzvorschriften des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitarbeitern und der Aufrechterhaltung des Betriebsablaufs des Unternehmens geboten sind, würde ich in diesem konkreten Fall die Aussprache einer Abmahnung für das geeignete Mittel halten.
Dem Mitarbeiter wird damit nicht untersagt seine Meinung zu äußern und zu vertreten. Dies kann er über die sozialen Netze und andere Kommunikationswege realisieren.