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Warum wir vieles hinterfragen müssen
Spätestens mit seinem Einmarsch in die Ukraine hat Putin das Spielfeld verlassen oder war er überhaupt jemals auf dem Spielfeld?
Im Zusammenleben der Menschen, ob in der Familie, im Beruf oder in der Gesellschaft gilt: Stelle Regeln auf und auch Maßnahmen, falls diese gebrochen werden. Kommuniziere dies klar. Vor allem, und das scheint das wichtigste zu sein, setze die Maßnahmen im Falle eines Regelbruchs auch um. Anders funktioniert es nicht. Wer die Regeln bricht, dem drohen Sanktionen. Dass die Auswirkungen der Sanktionen auch einen selbst treffen, Einschränkungen oder Verzicht bedeuten, muss klar sein. Wer aus Angst vor klaren Maßnahmen zurückschreckt, wird zum Opfer seiner Angst. Kommunikation und Verhandlung auf Augenhöhe sind im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte.
Imaginäres Bild der Sicherheit
Zu lange hat man Putin gewähren lassen ohne ihn darauf hinzuweisen, dass er längst Schmerzgrenzen anderer überschreitet. Ihn schön zu denken, macht ihn nicht schön. Putin hat nicht nur nicht ehrlich gespielt, sondern sogar erkennbar gelogen. Und was macht der Westen: Der sucht die Fehler teilweise ausschließlich bei sich selbst. Ein Verhalten, was wir vor allem in Deutschland sehen: „Was haben wir falsch gemacht? Was haben wir getan, was Putin zu solch einem Verhalten provozierte?“ Jetzt bekommen wir den Spiegel vorgehalten: Wir haben lange die Augen vor den Dingen verschlossen, sie nicht sehen wollen und unsere eigenen Geschichten geglaubt. Wir folgten keinem Narrativ, eher einem Erratum. Gemäß dem Motto: Es darf nicht sein, was nicht sein kann. Wir haben uns unsere eigene Realität geschaffen, weil wir immer nur Ausschnitte aus dem Leben sahen – modular, linear und unmittelbar, dazu eine Prise Naivität. Fertig ist unser imaginäres Bild der Sicherheit. Die Wehrpflicht war abgeschafft, die Bundeswehr spielte im Alltag keine Rolle mehr. Und es war doch recht behaglich in der Komfortzone und unter dem Schutzschild der Amerikaner. Alles ist gut.
Infolgedessen auch das Zaudern und Zögern bei den Sanktionen: Die Maßnahmen zu weich, nicht klar formuliert. Ein Druckmittel muss auch Druck ausüben können. Putin weiß, dass wir (noch) von seinem Öl und Gas abhängig sind.
Feindbild Demokratie: Putin spielt sein eigenes Spiel
Nun spielt er sein eigenes Spiel und dafür diktiert er auch die Regeln, er lässt sich nicht diktieren, er stimmt sich nicht ab. Desinformation und Manipulation sind seine Mittel, um dieses Spiel für sich zu entscheiden. Die demokratischen Staaten sind gehalten, sich keinesfalls in dieses Spiel weiter hineinziehen zu lassen. Putin hatte bereits viel zu lange die Möglichkeit, sich auszuprobieren um zu sehen, wie weit er gehen kann. Russland ist Meister der Beeinflussung. Aber: Vor unserem Demokratiedenken hat Putin Angst. Was er bekämpft, ist daher nicht die Ukraine, er bekämpft die Demokratie – Meinungen teilen, Rechte teilen, Freiheit und Selbstbestimmung sind Dinge, gegen die der russische Autokrat eine tiefe innere Abneigung hegt. Es ist ihm ein Gräuel mit ansehen zu müssen, wie sich ehemalige Ostblockstatten von den Werten des Westes und dem Wunsch nach wirtschaftlichem Wohlstand leiten lassen. Das Schlimmste daran: Auch in seiner eigenen Bevölkerung macht sich das bemerkbar. Und schon immer war es vordergründig das Gefühl der Kränkung, dass kriegerische Auseinandersetzungen beförderte.
Es ist der Arroganz des Westens geschuldet, lange geglaubt zu haben, durch Vorleben und dem Leitspruch „Wandel durch Handel“ lassen sich demokratische Werte einfach exportieren. Wir wurden eines Besseren belehrt. Und daraus sind die Schlüsse zu ziehen. Das Primat der Sicherheit zulasten der Freiheit, das sich äußert in Lokalität, Angst, Einschränkung, Vorgaben von oben und weniger Selbstbestimmung, kann nicht die Antwort sein. Im Gegenteil: es stärkt die gegnerische Seite. Dann spielen wir das Spiel Putins nach seinen Regeln mit.
Es braucht Zukunftsstrategien
Viele Menschen haben Ängste und Befürchtungen, wonach die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine zu einer unmittelbaren Bedrohung für Deutschland werden könnte. Die Ängste kann man ihnen nicht absprechen, sind sie doch vor allem das Resultat fehlender Hintergrundinformationen, vor allem aber des politischen Agierens – zögerlich, unsicher, intransparent, willkürlich und ohne Zukunftsstrategie für die Friedensordnung nach dem Krieg. Und auch hier muss man sich die Frage stellen: Gibt es überhaupt ein ‚Nach dem Krieg‘? Es wäre ein Rückfall in das Schwarz-Weiß-Denken – Krieg oder Frieden, dazwischen gibt es nichts. Dabei ist die Welt heute viel komplexer: alles ist mit allem verbunden. Es gibt stets Wechselwirkungen und Interdependenzen. Und diese Tatsache muss unser Denken und Handeln, vor allem das der Führung, bestimmen.
Jeder Unternehmer weiß, dass Veränderungen und Zukunftsstrategien von der Bereitschaft abhängig sind, genau hinzuschauen und hinzuhören, zu analysieren und auf Grundlage dieser Transparenz eine Strategie zu entwickeln. Gleiches Vorgehen sollte für die Politik gelten, sonst bleibt es beim taktischen Geplänkel, was uns nur zum Reagieren bringt, statt zum Agieren. Vermeidungsstrategien à la ‚Lieber schaue ich nicht hin, dann wird schon nichts passieren‘, sind der sichere Stillstand, sowohl in der Wirtschaft, als auch in der Politik sowie für jeden Einzelnen in seiner persönlichen Entwicklung.
Gibt es ein Zurück zum Spiel nach Regeln?
Zurück zum Spiel: Putin spielt also nun sein eigenes Spiel, nach seinen eigenen Regeln. Nur werden ihn diese früher oder später selbst zum Verhängnis werden. Wer lügt, muss ein gutes Gedächtnis haben – seine Desinformationspolitik wird sich nicht auf Dauer aufrechterhalten lassen, seine Methoden wie ein Bumerang auf ihn selbst zurückfallen. Die Ziele hat er bereits verfehlt. Die Ukraine kämpft beharrlich für ihre Freiheit und ihre Werte und EU und NATO werden gestärkt, die Aufnahme weiterer Länder steht bevor.
Eine mutige, komplex denkende und handelnde politische Führung mit klarer und verbindlicher Kommunikation, ist das, was Putins Spiel zusätzlich verderben kann und ihn oder besser gesagt sein Land bestenfalls sogar zurück ins alte Spiel mit gemeinsamen Regeln zwingt. Abschließend eines: Angst ist dabei bekannterweise überhaupt kein guter Ratgeber.
Über unseren Podcast „Im Wechselspiel der Kommunikation“ können Sie unsere Diskussion zum Thema weiterverfolgen.