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… erfordert Durchblick, Überblick und Weitblick
Teil I
Die Transformation unserer Arbeitswelt ist in vollem Gange. Wer immer noch die Augen verschließt vor dem Wandel, der sich gerade in unserer Gesellschaft vollzieht und glaubt, dass alles so weiterläuft wie vor der Krise, der verpasst gerade aus seinem Weg die Abzweigung Zukunft. Natürlich wissen wir alle nicht, wie sich uns die zukünftige Arbeitswelt zeigen wird. Aber wir bekommen eine Idee davon, wenn wir den Wertewandel weg von mehr Profit und dem Fokus auf der Produktivität hin zu mehr Sinnhaftigkeit, Potentialentfaltung und sozialen Mehrwerten verfolgen und verstehen. Dann sind wir auch in der Lage, diese neue Arbeitswelt aktiv mitzugestalten.
Mit einem Griff in die New Work Werkzeugkiste schaffen wir keine echte Transformation, sondern gießen alten Wein in neue Schläuche – die digitale Infrastruktur und flexible Arbeitsmethoden sind maximal zweitrangig. New Work ist keine Arbeitstechnik. Es ist eine Philosophie, eine andere Betrachtung unserer Arbeitswelt bei zunehmender Komplexität der Prozesse. Eine Komplexität, die es nicht länger zulässt, Herausforderungen auf den bisherigen linearen Wegen anzugehen.
Ein Wandel im Sinne des ursprünglichen New Work Ansatzes erfordert vielmehr Transparenz sowie Teilhabe im wörtlichen, wie übertragenen Sinne. Sie erfordert zudem eine neue Art der Führung mit einer offenen Denkweise, den Blick über den Tellerrand und den Mut zum Ausprobieren.
Wir wollen uns in zwei Teilen vier Entwicklungen im Detail anschauen um zu verstehen, worauf sich Führungskräfte und Personalverantwortliche zukünftig einstellen müssen.
Durchblick behalten: Wechselbereitschaft stoppen
Die Krise hat die Menschen verändert. Das ist keine Annahme, sondern eine Tatsache. In einer Umfrage Anfang des Jahres haben wir als GesundheitsStrategen unsere Unternehmenskontakte nach befragt, um zu sehen, in welchem Transformationsprozess sie sich befinden. Wir wollten wissen, wie die Gesamtsituation ist, aber auch wie sich die Unternehmenskultur, das Verhalten der Mitarbeiter sowie das Führungsverhalten verändert haben.
75% der Unternehmen haben bei ihren Mitarbeitern über die Zeit der Pandemie Verhaltensänderungen festgestellt, wobei zwei Drittel angaben, dass diese negativ seien. 90% gaben an, dass sich die Unternehmenskultur verändert hat, davon stellten 25% eine starke Veränderung fest.
Die Ergebnisse unserer eigenen Erhebungen werden gestützt von der aktuellen Gallup-Studie. Entfremdung, Isolation und Überlastung scheinen die Hauptgründe zu sein, weshalb nur 61 Prozent der befragten Arbeitnehmer beabsichtigen ohne Wenn und Aber, noch weitere Jahre bei ihrer derzeitigen Firma zu bleiben. Das heißt, über ein Drittel der Arbeitnehmer ist wechselwillig.
Homeoffice und mobiles Arbeiten, Kurzarbeit und unsichere Zukunftsperspektiven sind nachvollziehbare Gründe. Am verblüffendsten aber ist: Selbst zufriedene Mitarbeiter denken über einen Jobwechsel nach, schreibt die IT-daily.net unter Berufung auf eine Studie der New Yorker PR-Agentur Zeno Group. Wenn die Rahmenbedingungen also nicht vollends stimmig sind, ist der Gedanke an einen Wechsel greifbar nah.
Gefährdungsbeurteilung – nützliches Tool für das Personalmanagement
Bedenkt man, dass in den nächsten Jahren die Generation der Babyboomer in Rente geht, kann man sich eine ungefähre Vorstellung davon machen, was auf unseren Arbeitsmarkt zukommt – eine Entwicklung, die bei vielen Arbeitgebern zwar bekannt, aber noch nicht ausreichend ins Bewusstsein gedrungen ist. Dazu mehr im zweiten Teil des Artikels.
Was heißt das nun für Entscheider und für die Verantwortlichen in den Personalabteilungen? Die Antwort lautet: Hinsehen und Hinhören, um das Gespür für die Belange der Mitarbeiter nicht zu verlieren. Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, eine jährliche Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, welche auch die Gefährdung der psychischen Belastungen beinhaltet.
Nur wenige sehen die Chance, aus dieser Pflicht eine Kür zu machen und die Ergebnisse einer sorgsam durchgeführten Analyse zur Positionsbestimmung und als Kompass zu nutzen. Einige Betriebe führen sie gar nicht durch, mit der Gefahr hohe Bußgelder auferlegt zu bekommen. Für andere wiederum ist sie ein lästiges Übel, das mit minimalem Aufwand und Kosten schnell und einfach erledigt werden muss.
Wer im Nebel stochert, weil er nicht weiß, wo er sich befindet, kann auch nicht wissen, welche Richtung er einschlagen muss.
Überblick verschaffen: Das Zeitalter der Sinnhaftigkeit
Den Durchblick zu behalten mit feinen Antennen für die Bedürfnisse und das Stimmungsbild der Belegschaft ist also ein wichtiger Punkt für das nachhaltige Personalmanagement der Zukunft. Kommen wir nun zu Punkt zwei.
Ich bin mir sicher, dass Ihnen in den letzten Monaten das ein oder andere Mal der Begriff „Purpose“ untergekommen ist. Wobei ich hier die deutsche Übersetzung bevorzuge und lieber von Sinn oder Nutzen spreche. Unternehmen, die ihren wahren Nutzen definiert haben, ihr Mission und Vision kennen, sind erfolgreicher. Die Sinndefinition ist bei gelungener Implementierung und Integration in die Unternehmenskultur ein Treiber von Veränderungen. Den Sinn seines unternehmerischen Tuns zu definieren, heißt über den Tellerrand zu schauen, womit wir beim Überblick sind.
Unser Handeln wird sich zukünftig daran messen lassen müssen, inwiefern es uns gelingt, die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu bedienen, denn diese liegen nicht nur in der Verantwortung der Nationen und internationaler Organisationen. Auch wir Unternehmer und jedes einzelne Individuum sind in der Pflicht.
Auswirkungen durch den Wertewandel der Gesellschaft
Wir sehen, dass die Menschen im Zeitalter der Sinnhaftigkeit angekommen sind. Potentialentfaltung, sozialer, ökonomischer und ökologischer Mehrwert rücken in den Fokus und verdrängen das Profit- und Wachstumsdenken. Social Business, die Sehnsucht nach dem Land, neue Formen des gemeinschaftlichen Wohnens und Arbeitens und die Rückbesinnung auf die lokale Wirtschaft, regionale Produktion und Konsum sind nur einige Erscheinungen dieser „Sinn-Ökonomie“.
Was jedoch als ein Trend dieser Zeit anmutet, hat bereits viele Jahrzehnte vorher begonnen.
Peter F. Drucker, ein US-amerikanischer Ökonom und Managementexperte versuchte bereits in den 70er Jahren seine Erkenntnis zu vermitteln „Das freie Unternehmertum lässt sich nicht dadurch rechtfertigen, dass es dem Geschäft dient. Es lässt sich nur dadurch rechtfertigen, dass es der Gesellschaft dient.“ Damals war er seiner Zeit weit voraus. Peter F. Drucker starb 2005. Er hätte sicher seine Freude an der heutigen Entwicklung. Dass das, was er bereits vor fast 50 Jahren predigt, heute in Wirtschaft und Gesellschaft angekommen ist.
Was bedeutet diese Entwicklung für das nachhaltige Personalmanagement der Zukunft? Gesamtgesellschaftliche Trends beeinflussen unsere Art zu Leben und zu Arbeiten. Es gilt also nicht nur unternehmensinterne Gegebenheiten und Entwicklungen im Blick zu haben, sondern den Blick zu weiten. Mit dem Wissen, was die Menschen und damit (potentielle) Mitarbeiter bewegt, können Maßnahmen der Mitarbeiterfindung und -bindung zielgerichtet entwickelt und umgesetzt werden.
Nur Unternehmen, die ihren wahren Nutzen, ihre Mission und Vision kennen, leben und kommunizieren, sind auch in der Lage, nicht nur irgendwelche, sondern zu ihren Werten wirklich passende Mitarbeiter zu finden, um sie nachhaltig zu binden.