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Was nützen die tollsten Rezepte, die besten Zutaten, exzellente Kocherfahrungen, wenn das Werkzeug nicht erstklassig ist? Zugegeben, man kann viel improvisieren, aber scharfe Messer sind die Voraussetzung für gutes Gelingen in der Küche. Wenn die Schärfe der Schneide nicht mehr passt, ist es vorbei mit dem Kochvergnügen.
Mit dem Messer schneiden, nicht quetschen
Möchte man weiche Brötchen schneiden, so verbeulen diese mit einem stumpfen Messer eher, als dass sie sich schneiden lassen.
Tränen beim Zwiebelschneiden lassen sich mit einem scharfen Schneidwerkzeug vermeiden, weil kaum Flüssigkeit aus der Zwiebel herausgedrückt wird.
Es reichen in der Regel drei Messer in der Küche
Grundsätzlich reichen in der Küche 3 Messer als Grundausstattung:
Das große Koch- oder Santokumesser, das Brotmesser und das kleine Schäl- bzw. Officemesser, auch Spickmesser genannt.
Darüber hinaus gibt es noch eine große Anzahl von Spezialmessern, die für besondere Aufgaben sinnvoll sind. Weiterhin die sehr harten Klingen, teilweise mit eingebetteten Stählen, die ein kleines Vermögen kosten und kaum das Standardwerkzeug in unseren Küchen darstellen.
Das muss beim Messerkauf beachtet werden
Ein gutes Kochmesser kostet mindestens 80,- € bis 100,- €. Ein Markenfabrikat zahlt sich hier aus.
Die Klinge sollte sich vom Rücken zur Schneide kontinuierlich verjüngen (konischer Klingenquerschnitt) und nicht erst kurz vor der Schneide einen Keil bilden, wie es häufig bei Billigmessern üblich ist. Wer gute Beratung erhalten und Wissen über Schneidewerkzeuge tanken möchte, sucht ein Fachgeschäft auf. Hier geht man auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden ein.
Auf die Anwendung kommt es an
Ein Hackbeil wird sicher andere Qualitäten aufweisen müssen, als z.B. ein einseitig angeschliffenes Sushimesser. Daher konzentrieren wir uns heute auf die oben erwähnten Standardküchenmesser.
Bei der gezahnten Klinge sollte die angeschliffene Seite weg vom Schnittgut zeigen. Das bedeutet, dass beim Rechtshänder der Anschliff von rechts, beim Linkshänder dieser auf der linken Seite sein sollte. Es gibt allerdings auch die weniger bekannten von beiden Seiten angeschliffene Brotmesser.
Schneiden mit oder ohne Fingerschutz
Der Fingerschutz sieht gut aus und gibt ein sicheres Gefühl. Aber: Das Schärfen erfolgt immer vor dem Fingerschutz, was bedeutet, dass die Klinge nach häufigem Schärfen nur noch bedingt als Wiegemesser eingesetzt werden kann. Hier muss der Schleifprofi den Fingerschutz verkürzen.
Das Messer ohne Fingerschutz kann auch vom Amateur über die gesamte Klingenlänge geschärft werden. An original japanischen Schneidgeräten findet man so gut wie nie einen Fingerschutz.
HRC – Härtegrad in Rockwell
Die Härte des Klingenstahls wird in HRC (H = Härte, R = Rockwell, C = spezifische Skala. „C“ = Diamanttest mit 1471 Newton) angegeben und ist bei Messern üblich.
Manche Santoku- oder Damaststahlmesser weisen bis 66 HRC auf. Die Auswahl für zu Hause: Nicht zu hart und öfter (selbst) schärfen. Richtwert 56 – 58 HRC.
Wie schärfe ich Messer richtig?
Erste Wahl: Ein guter Messerschleifprofi. Wer sehr teure, harte oder für spezielle Verwendung bestimmte Messer besitzt ist in jedem Fall gut beraten zu einem professionellen Messerschleifer zu gehen. Genaue Berufsbezeichnung: Präzisionswerkzeugmechaniker. Messer-Profi Ingo Mager aus Dresden: «Wichtig ist, dass man mit dem Kunden das Einsatzgebiet des Schneidewerkzeugs bespricht und so die Details festlegen kann.
Ausgebrochene Klingen können von uns auch wieder so geschliffen werden, dass sie wie neu aussehen und auch so schneiden. Dazu fehlen allerdings dem Amateur die entsprechenden Maschinen. Auch der Wellenschliff gehört grundsätzlich zum Fachmann.»
Wie erkennt man einen guten Messerschleifer?
«Einen guten Messerschleifer», so Ingo Mager weiter, «erkennt man an einem festen Firmensitz und einer gewissen Tradition seines Unternehmens. Natürlich auch an der Empfehlung seiner Kunden. Ist er Innungsmitglied und Handwerksmeister schafft das zusätzliches Vertrauen. Die Anschaffung einer teuren Schleifmaschine qualifiziert nicht den Menschen der an ihr steht. Der muss sein Handwerk absolut beherrschen.»
Klingen selber schleifen
Wer selbst Hand anlegen möchte, hat mehrere Möglichkeiten: Sie/Er belegt einen Schleifkurs beim Profi (etwa 40,- € für 1-2 Stunden) und ist dann in der Lage die Küchenwerkzeuge im Rahmen des Schleifens und Schärfens selbst zu pflegen.
Oder man bedient sich einer der vielen im Handel angebotenen Schärfegeräte, die allerdings teilweise mit Vorsicht zu genießen sind.
Es gibt viele Schärfemöglichkeiten
Die Möglichkeiten reichen vom Keramikteller bis zum elektrischen Schleifgerät.
Man muss unterscheiden zwischen abziehen bzw. entgraten z.B. mit dem Wetzstahl oder schärfen, wie mit dem Schleifstein oder einer Schärfevorrichtung. Die Klinge wird durch den Schliff beim Hersteller in die endgültige Form gebracht. In der Regel wird zu Hause entgratet, geschärft und minimal geschliffen.
Welche Schleifmethode ist die richtige?
Jeder kennt den Wetzstahl, mit dem Profiköche praktisch vor fast jeder Anwendung ihre Klingen abziehen. Dabei wird an der Schneidkante etwas Material abgetragen bzw. abgeschliffen, je nach Art des Wetzstahles (Hartverchromt/Diamant/Keramik/Rubinkorund), bis die Klinge wieder scharf ist.
Das Messer wird von Profis immer in Schneidrichtung am Wetzstahl geführt, so, als wollte man ein Stück vom Wetzstahl «abschneiden». Dabei muss der Winkel (15-20°) genau stimmen. Zieht man den Wetzstahl entgegen der Schneidrichtung, bildet sich ein Grat an der Schneide und die Klinge ist nach ein paar Schnitten wieder stumpf, weil sich der Grat umbiegt. Profis beherrschen den Wetzstab. Aber auch sie bringen ihre Messer 2-4 mal im Jahr zum Spezialisten.
Auf den Winkel kommt es an
Im Prinzip ist es ganz einfach: Je kleiner der Winkel der Schneide ist, umso schärfer ist das Messer. Aber umso empfindlicher ist es auch. Hier spielt die Anwendung eine entscheidende Rolle. Für den Haushalt haben sich Schneidwinkel von 30-40 Grad als Kompromiss zwischen Robustheit und Schärfe bewährt. Eine Möglichkeit, den Winkel annähernd selbst zu erkunden ist die Klinge mit einem Filzstift zu markieren.
Der ungleiche Schleifwinkel
Bei fast allen einfachen Schleifgeräten zieht man das Messer durch ein «V» aus z.B. Keramik oder gehärtetem Stahl. Der Winkel ist fest vorgegeben.
Diese Teile bringen die Messer schnell wieder zu Schärfe. Aber ab einer bestimmten Anzahl ist nachschleifen erforderlich. Und: Die Symmetrie ist nicht gesichert. Zu leicht zieht man die Schneide nicht genau senkrecht durch das Gerät und sie wird auf beiden Seiten mit ungleichen Winkeln geschärft. Hinzu kommt eine starke punktuelle Belastung der Klinge, was besonders bei harten Stählen zu Mikroscharten und Ausbrüchen führen kann.
Die Schneide sieht nach einer gewissen Zeit aus wie «gerupft» und muss zum Profi. Das gilt auch für elektrische Messerschärfer im Niedrigpreissegment. Wird die Klinge nicht gleichmäßig durchgezogen, besteht die Gefahr punktueller Vertiefungen.
Finger weg vom Trockenschleifen mit hoher Drehzahl
Ein großer Fehler ist es, wenn man zum Schärfen einen schnell drehenden Schleifstein oder Bandschleifer verwendet. Schleifen sollte langsam per Hand oder nass erfolgen. Zu groß ist die Gefahr, dass die Klinge ausglüht und ihre Eigenschaften, besonders die Härte, verliert.
Der Schleifstein
Viele Profis verwenden Schleifsteine in verschiedenen Körnungen. Von sehr grob (180) für den Grundschliff, bis extrem fein (8000) für den letzten Feinabzug vor dem Leder. Dabei wird der Schleifwinkel vom erfahrenen Profi per Hand oder einer Lehre gehalten. Auch die Gleichmäßigkeit über die gesamte Klingenlänge erfordert eine gewisse Erfahrung an die sich ein Laie durch einen Kurs und Übung herantasten kann. Dennoch liegt das Hauptaugenmerk der meisten Hobbyköche bei der Zubereitung köstlicher Speisen und nicht beim Messerschleifen.
Der perfekte Messerschliff
Einen idealen Kompromiss bietet der Horl Rollschleifer. Er verhindert verkanten, gibt den Schleifwinkel von 15 Grad pro Seite vor, was einem Schneidwinkel von 30 Grad entspricht und schleift gleichmäßig über die gesamte Klingenlänge.
Am Magnethalter ist auf der einen Seite eine Auflage angebracht durch die auch kleine Messer bearbeitet werden können.
Unterlegt man den Messerhalter auf der dem Messer gegenüberliegenden Seite wird der Schleifwinkel vergrößert. Das macht dann Sinn, wenn man eine Klinge fürs Grobe benötigt. Unterlegt man die andere Seite wird der Winkel reduziert. Zwar kann man sich mit einem solchen Messer tatsächlich rasieren, aber die Klinge wird zu schnell ausbrechen, wenn man sie im Küchenalltag einsetzt. Manche probieren das einmal aus, um dann wieder zu den sinnvollen 15 Grad zurückzukehren.
Fazit zum Thema Messer wetzen, schärfen, schleifen
Wer ein billiges Gerät zum Schärfen kauft, kauft sich nach einer gewissen Zeit ein hochwertiges oder geht zum Messerschleifer. Wer die traditionelle Methode mit Schleifsteinen bevorzugt und ein Ritual mit wässern der Steine und anschließendem sorgfältigen schleifen der Messer im richtigen Winkel und der entsprechenden Körnung beherrscht, wird sehr viel Freude an seinen Messern haben. Der Wetzstab ist für ein schnelles schärfen zwischendurch gut geeignet, wenn man den Winkel einhalten kann.
Wer kein Technikfreak ist und sein Augenmerk eher auf raffinierte Rezepte legt, ist mit dem Horl Rollschleifer bestens bedient und kann fast nichts falsch machen.
Hochwertige Messer nicht in die Spülmaschine
In der Spülmaschine hat ein hochwertiges Messer überhaupt nichts verloren. Als Schneidunterlage sollte ein Holzbrett dienen. Plastik geht zur Not noch, aber Keramik- oder Glasunterlagen ruinieren jeden hochwertigen Schliff.
Die Aussage, dass es mit einem unscharfen Messer mehr Verletzungen gibt, als mit scharfen mag zutreffen. Zu leicht rutscht die stumpfe Klinge ab. Aber: Legt man das scharfe Küchengerät in eine Besteckschublade und zeigt die Schneide dann doch irgendwann einmal nach oben, sind Schnitte in die zugreifende Hand so gut wie sicher. Gute Aufbewahrungsorte sind Messerblöcke oder Magnetleisten.
Und ganz wichtig: Nach jedem Schliff muss die Klinge mit Küchenpapier vom Schleifstaub befreit und abgespült werden. Wer das nicht macht hat wohl «eisenhaltige Nahrung» etwas missverstanden.
Dazu gibt es eine Geschichte im Artikel «Mit Zitronen und Knoblauch – aus Großmutters Rezeptsammlung»
Hallo Herr Weller,
einen sehr guten Übersichtsartikel, den jede(r) gelesen haben sollte, haben sie hier verfasst. Leicht verständlich für Anfänger und fachlich fundiert genug für fortgeschrittene die sich einen Überblich verschaffen wollen.
Die Richtung bei Abziehen der Schneide über den Wetzstahl (Aufrichtstahl) wird in Fachkreisen unterschiedlich bewertet. Ob gegen oder mit der Schneide abziehen, entscheide ich anhand des Kohlenstzoffgehalts der Stahllegierung. Je härter die Klingenstahllegierung desto eher würde ich das Abziehen von der Schneide weg empfehlen, bei weichen Legierungen mit niedrigem Kohlenstoffgehalt, kann man ruhig gegen die Schneide abziehen um gute Ergenisse zu erzielen. Aber das ist nur mein subjektiver Eindruck.
Da Naßschleifmaschinen für den Hausgebrauch im unteren Preissegment (unter 100€ – 400€) verfügbar sind, hätte ich diese noch erwähnt. Damit können auch Laien in kurzer Zeit rasierscharfe Ergebnisse erzielen.
Dennoch vielen Dank für diesen tollen Artikel, hoffe sie schreiben noch mehr.
Hallo Herr Dell,
vielen Dank für Ihren Kommentar.
Sie haben vollkommen recht: Es handelt sich um einen Artikel, der jeder Hausfrau und jedem Hausmann ein wenig in die Welt des Messerschärfens einführen möchte. Ihren Zeilen entnehme ich, dass Sie sich deutlich mehr mit Messern beschäftigt haben, als die meisten Menschen, die einfach nur gut kochen möchten. Danke für die Ergänzung!
Das Abziehen wird auch von diversen Messerschleifprofis unterschiedlich gehandhabt. Aber Ihre Ansicht, die Richtung von der Stahlhärte abhängig zu machen, scheint plausibel zu sein.
Auf elektrische Nassschleifmaschinen haben wir bewusst verzichtet, da es sich hierbei um ein großes Feld handelt, bei dem ein Laie sich sehr leicht ein tolles Messer bis zur Unbrauchbarkeit verunstalten kann, was dann durch einen Profi ausgebügelt werden muss. Hinzu kommt, dass ein Nassschleifgerät nicht mal schnell in der Küchenschublade verstaut werden kann und in der Grundausstattung die Scheibenkörnung festgelegt ist. Der Artikel sollte dem und der Interessierten ein Tor öffnen, um für sich selbst zu entscheiden, ob die Anschaffung zum schärfen der Messer zur persönlichen Einstellung passt.
Dank Ihrer Ergänzung werden nun sicher einige Interessierte auch einen Blick auf elektrische Nassschleifer werfen und für sich entscheiden, welches Modell und welcher Typ für sie am besten geeignet ist.
Ihre Anregung nehmen wir gern auf, um evtl. einen ergänzenden Artikel zum Nassschleifen zu veröffentlichen. Ihre Ideen können Sie mir auch gern unter [email protected] senden.
Mit besten Grüßen
Stefan Weller