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Ist Grauer Star eine Krankheit die zwangsläufig zu einer Operation führt? Streng genommen ist der Graue Star keine Krankheit, sondern Degeneration. Viele sterben, bevor er sich bemerkbar macht. Andere bekommen ihn bereits im gesunden Mittelalter. Zum Glück ist heute keiner mehr auf dicke Brillengläser angewiesen, wie noch unsere Urgroßeltern.
Augenärzte sagen: «Grauen Star bekommt früher oder später jeder. Da heute die Menschen älter werden als früher, haben wir auch viel häufiger den Grauen Star – auch Altersstar genannt. Ähnlich wie graue Haare, die je nach Veranlagung als Alterserscheinung bezeichnet werden.»
Angst um die Augen
Der Mensch hat große Angst sein Augenlicht zu verlieren. Eine Horrorvorstellung, plötzlich blind zu sein. Beim Grauen Star ist das anders. Es ist ein schleichender Prozess, der die Linse des Auges langsam eintrübt und man, kaum merklich, immer unschärfer sieht.
Zum einen wird tatsächlich die Linse immer «milchiger», zum andern ist die Struktur in der Linse nicht mehr homogen. Das Licht wird ungleichmäßig gebrochen, man sieht, auch mit einem Auge, doppelt oder dreifach. Zunächst kann man sich mit einer Brille oder Lupe behelfen. Manche berichten auch, dass sie erst altersweitsichtig wurden und dann stetig kurzsichtiger. Sie mussten ihre Brillen abnehmen, um in der Nähe sehen zu können.
Grauem Star durch gesunde Ernährung vorbeugen
Ein Arzneimittel gegen den Grauen Star gibt es nicht. Aber man kann ihn verzögern. Als Schutz vor UV-Strahlung ist eine gute Sonnenbrille sinnvoll. Gesunde Lebensweise, wie Industrienahrung und Zucker meiden, ausreichende Bewegung und genügend Wasser trinken verzögert nicht nur den Grauen Star, viele Zivilisationskrankheiten werden eingedämmt.
Eine Garantie ist das leider nicht, aber zumindest eine Möglichkeit den Grauen Star möglichst lange Zeit hinauszuschieben. Frühzeitige typgerechte Ernährungen zeigen jedem, in welchen Bereichen Defizite vorhanden sind und wie man seine Ernährung optimieren kann. Bestimmte Medikamente, wie Kortison oder Statine, die als Cholisterinsenker verschrieben werden, begünstigen die Entstehung des Grauen Stars. Das menschliche Problem: Kaum ein Mensch glaubt, dass er selbst von Krankheiten oder Degeneration betroffen sein wird und unternimmt in frühen Jahren meistens wenig oder nichts.
Grauer Star hat auch andere Ursachen
Grauer Star kann auch im Kindesalter auftreten, besonders, wenn die Mütter während der Schwangerschaft Medikamente genommen haben oder an Röteln bzw. Mumps erkrankt waren. Drogen, Diabetes, Kortison, Rauchen und Alkohol, begünstigen nicht nur den Grauen Star bei der Mutter, das ungeborene Kind kann nicht absehbare Schädigungen erleiden. Diese bestimmen bereits im Mutterleib, ob das Kind auf das Gymnasium oder die Sonderschule gehen wird.
Erste Anzeichen erkennen
Bei jedem kann der Verlauf etwas anders sein. Doch er spielt sich, mit Ausnahmen, meistens so ab: Zunächst können Lichter, auch mit einem Auge, doppelt oder dreifach wahrgenommen werden. Sieht man die Lichter des Weihnachtsbaumes mehrfach oder blenden Beleuchtungen in der Nacht deutlich stärker als früher, so können dies die ersten Anzeichen sein.
Linsentrübung verläuft schleichend
Der Verlauf des Grauen Stars ist schleichend und kann sich über Jahre hinziehen.
Das gefährliche ist, dass die betroffenen Personen selbst diese Änderung kaum erkennen und ihr Umfeld gewohnheitsmäßig «wie immer» wahrnehmen. Das Gehirn kompensiert die fehlende Augeninformation bis zu einem hohen Grad. Wenn Betroffene im Straßenverkehr kaum noch die Schilder erkennen können, ist die Grenze weit überschritten.
Manche Betroffene erkennen Gesichter kaum und versuchen anhand des Gangbildes oder der Kleidung Personen zu erkennen. Die Wahrnehmung bei Nacht ist zusätzlich eingeschränkt, so dass auch Fußgänger leicht Gefahren übersehen. Hinzu kommt eine starke Blendung, da Lichter stärker wahrgenommen werden.
Risiken und Nebenwirkungen bei Grauem Star
Verkehrstauglichkeit ist ein Thema, es gibt aber noch andere Nebenwirkungen. Ein Beispiel ist, dass lesen immer mehr anstrengt. Folglich greifen die Patienten zu anderen Informationsquellen. So steht nicht das geschriebene Wort, sondern Bild und Ton an erster Stelle. Das ist heute, wo man sich mit PC oder Handy in Mediatheken oder YouTube zu fast allen Themen Filme ansehen kann, kein Hexenwerk. Die Kehrseite: Man wird zu reinem Konsum verleitet. Die Oberflächlichkeit nimmt zu und der Gedanke bleibt auf der Strecke. Kurz: Man stumpft ab.
Durch den Sehverlust meiden manche das öffentliche Leben und Treffen mit Freunden oder Bekannten reduzieren sich. Auto fahren kann man nicht mehr, besonders die Rückfahrt bei Dunkelheit ist ein Problem und so igelt sich der Mensch in sein Zuhause ein. Der soziale Kontakt wird immer mehr reduziert. Statistisch ist nachgewiesen, dass nicht operierte Augen indirekt eher zu Demenz führen. Auch Stürze, die besonders bei älteren Mitmenschen innerhalb eines Jahres zu etwa 30% zum Tod führen, stellen ein erhebliches Risiko dar.
Die Auswahl des richtigen Augenarztes
Stellt ein Mensch an sich die ersten Symptome des Grauen Stars fest, geht kein Weg am Augenarzt vorbei. Die Technik ist heute weit fortgeschritten und Katarakt Operationen stellen eine Routine dar. In Deutschland werden etwa 700.000 Kataraktoperationen im Jahr durchgeführt, mit steigender Tendenz.
Trotzdem ist es eine hochsensible Angelegenheit, die keine auch noch so kleinen Fehler zulässt. Der operierende Arzt sollte neben großer Erfahrung eine sehr gewissenhafte Einstellung besitzen. Nur mit der Mentalität eines Präzisionsuhrmachers kann er über Jahre gute Ergebnisse erzielen. Praxen, die hin- und wieder eine Katarakt Operation durchführen, müssen nicht zwangsläufig schlecht sein, aber der Patient sollte sich eine Meinung einholen. Auch bei bereits operierten Personen.
Die Auswahl der Augenlinse
Die natürliche Linse im Auge stellt durch Verformung die gewünschte Entfernung ein, um scharf zu sehen. Diese effektive Scharfstellung hat leider den Nachteil, dass sie im Alter schwächer wird und sich durch mangelnde Übung eine Ermüdung einstellt. Würde man jeden Tag mehrmals das Auge auf Ferne und Nähe fokussieren, könnten die Muskeln im Auge trainiert werden und man bräuchte keine Lesebrille gegen Altersweitsichtigkeit.
Der moderne Mensch ist aber faul und nutzt technische Errungenschaften, wie die Gleitsichtbrille, durch die er nicht mehr mit den Augen, sondern mit der Neigung des Kopfes scharfstellt. Die Folge sind noch trägere Augen und: einmal Brille, immer Brille.
Vor der Augen-Operation hat jeder die Wahl
Vor einer Augen-OP muss sich jeder entscheiden, welche Stärke und welche Art einer Linse sein Sehen bestimmen soll. Leider kann die natürliche Linse nicht mit einer flexiblen künstlichen Linse ersetzt werden. Das Auge wird nach der OP nicht mehr in der Lage sein die Entfernung einzustellen. Üblich ist eine Optimierung für die Ferne, was eine Lesebrille erfordert. Auch Nahsichtigkeit ist möglich, was eine Brille für die Ferne mit sich bringt. Bei einer Katarakt Operation können auch andere Augenfehler, beispielsweise eine Hornhautverkrümmung oder unterschiedliche Fehlsichtigkeit beider Augen korrigiert werden. Manche Augenärzte empfehlen ein Auge für die Ferne, das andere für die Nähe anzupassen. Diese Methode ist umstritten und kann zu Irritationen führen. Die unterschiedlichsten Linsen können für die meisten Bedürfnisse gewählt werden. Auch eingefärbte Linsen mit UV-Filter stehen zur Verfügung.
Spezielle Linsen, sogenannte Multifokallinsen, bei denen eine Zuzahlung von ca. 1500,- bis 2500,- Euro erforderlich ist, lassen durch einen optischen Trick ein scharfes Sehen von nah bis fern zu.
Dies setzt gesunde Augen voraus und sollte nur dann gewählt werden, wenn der Mensch auf gar keinen Fall eine Brille tragen möchte.
Bei dieser Linse können bei Lichtern in der Dunkelheit Kreise um die hellen Punkte sichtbar werden und der Kontrast kann geringer sein. Diese Möglichkeit ist mit dem Augenarzt vorher genau zu besprechen. Eine nachträgliche Korrektur ist nahezu ausgeschlossen.
Was passiert bei der Katarakt Operation?
Die Pupille wird durch Augentropfen so geweitet, dass der Operateur einen guten Zugang zur Linse hat. Dann beginnt die eigentliche Augenoperation. Unter örtlicher- oder Vollnarkose wird die trübe Linse mit Ultraschall oder dem Laser zerstört und durch einen kleinen Schnitt in der Linsenkapsel abgesaugt. In die Linsenkapsel wird durch ein kleines Röhrchen die zusammengerollte künstliche Linse, die Intraocularlinse (IOL), geschoben, entfaltet sich im Auge und füllt den ganzen Raum aus, den vorher die natürliche Linse eingenommen hatte. Zwei kleine Haken stabilisieren die Linse in der Linsenkapsel.
Allein der Gedanke, dass im Auge herum operiert wird, verursacht ein unangenehmes Gefühl. Es treten Fragen auf. Wie lang hält die Linse? Gibt es Komplikationen? Was ist, wenn ich Diabetes habe? Kann es dabei zu zusätzlichen Komplikationen kommen?
Man hört von schwarzen Einfällen, die das Sehfeld einschränken. Auch von trockenen Augen, die ständig Augentropfen erfordern. Habe ich das Gefühl einen Fremdkörper im Auge zu haben?
Risiken einer Augenoperation
Herr Dr. Marc Marré, ein auf Katarakt Operationen spezialisierter Augenarzt: «Natürlich kann es bei jeder Operation zu Komplikationen kommen. Das liegt zum einen daran, dass sich manche Patienten nach dem Eingriff überfordern und sich nicht die notwendige Ruhe gönnen, die Augentropfen nicht so anwenden, wie vom Arzt verordnet, aber auch an selten vorkommenden Reaktionen des Körpers, die nicht voraussehbar sind. Manchmal verschweigen Patienten allergische Reaktionen, was sich bei der Wahl evtl. notwendiger Medikamente negativ auswirkt.
Es kann bei Einnahme von z.B. Prostata Medikamenten zum Floppy-Iris-Syndrom kommen, einer Komplikation, bei der sich die Pupille nicht so weitet, wie vom Operateur gewünscht. Das verkompliziert den Eingriff erheblich. Die Rate der Komplikationen liegt etwa bei 0,1%, also deutlich unter der bei anderen Eingriffen in den menschlichen Körper.
Leider gibt es auch Kollegen, die sich eine Katarakt Operation zutrauen, aber nicht über genügend Erfahrung verfügen oder die notwendige Sorgfaltspflicht etwas schleifen lassen.
Die Haltbarkeit der heutigen Linsen ist kein Thema mehr. Wir gehen von einer Lebensdauer von etwa 70 – 100 Jahren aus. Das hat zwar noch keiner getestet, jedoch wurden durch sogenannte beschleunigte Alterungsverfahren diese theoretischen Werte bestätigt.»
Nach der Grauen Star-Operation
Herr Dr. Marré schreibt: «Das Auge hat 11 Feinde: Zehn Finger und das Taschentuch.»
Tatsächlich geht der Patient unbewusst recht fahrlässig mit seinen Augen um. Verspürt er ein Krabbeln oder Jucken, ist die Hand schneller am Auge als er den Verstand einschalten kann, um genau das zu verhindern.
Zunächst ist Ruhe angesagt. Nach einem Tag wird sich der Augenarzt das Resultat ansehen. Das ist auch der Moment, in dem der Verband abgenommen wird und der Arzt seinen Patienten untersucht. Es ist aber auch der erste Blick den ein Patient auf seine Umwelt werfen kann. Da die Operationen der Augen immer in einem zeitlichen Abstand vorgenommen werden, ist ein Vergleich ohne und mit operiertem Auge möglich.
Erst jetzt wird vielen Menschen klar, wie schlecht das Sehvermögen vor der Augenoperation war. Allerdings erschrecken manche Menschen, wenn sie sich im Spiegel betrachten: Sie sehen alle Falten, Pigmente und Unreinheiten der Haut klar und deutlich und glauben «ganz schön alt geworden zu sein».
Neue Lebensqualität nach der Augen-OP
Viele, die künstliche Linsen tragen, sind begeistert und loben die wiedergewonnene Lebensqualität. Das neu gewonnene Augenlicht und besonders Schärfe sowie Kontrast ermöglichen wieder am täglichen Leben teilzunehmen, sicher Auto zu fahren, Sport zu treiben und Wissen durch lesen zu tanken. «Es ist statistisch nachgewiesen, dass die Personen, die eine Katarakt-OP durchgeführt haben auch weniger an anderen Krankheiten erkranken. Eine genaue Erklärung gibt es dafür noch nicht. Das beschränkt sich nicht nur auf neurologische Erkrankungen, wie Depressionen, sondern auch auf Infektions- und sogar Krebserkrankungen», sagt Herr Professor Wolfgang Wiegand, Augenarzt in der Asklepios Klinik Nord, Hamburg.
Nicht zulange warten
Jeder, der die ersten Anzeichen des Grauen Stars feststellt, sollte sich zeitnah einen Augenarzttermin geben lassen. Gleich, welche nicht operativen Maßnahmen man ergreift, um der Eintrübung der Linse entgegenzuwirken, man muss sich damit abfinden, dass der aktuelle Zustand eventuell eine Weile gehalten werden kann, eine Umkehr des Prozesses aber noch keinem gelungen ist. Da wir etwa 90% unserer Sinneseindrücke über die Augen wahrnehmen, sollte man bedenken, dass sich bei einer späten Operation die Risiken anderer Einschränkungen erhöhen. Zwar werden verlorene Fähigkeiten nach der Operation oft wieder erlernt, doch genau dies sollte man auf ein Minimum reduzieren und zügig handeln, um sich gar nicht erst unnötigen Gefahren auszusetzen. Es ist ein weiterer Weg, die Gesundheit zu erhalten.