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Osteopathen, Rolfer und Physiotherapeuten nutzen in ihrer Arbeit schon seit einigen Jahren verschiedene Techniken, um Einfluss auf das Bindegewebe im menschlichen Körper zu nehmen. Nichts anderes verbirgt sich nämlich hinter dem Begriff «Faszien». Es ist ein Synonym für unser kollagenes Bindegewebe, und zwar für jegliche Form dieses eiweißartigen, faserigen (Stütz-)Gewebes, welches eine umfassende Bedeutung in unserem Körper hat und quasi als eigenes Organ betrachtet werden kann.

Faszien, die viele Jahre nur als Hülle oder als Verpackungseinheit von Muskeln angesehen wurden, haben auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse mittlerweile einen festen Platz in den Bereichen Gesundheit, Fitness, Sport und der medizinische Rehabilitation. Das Wissen über Funktionalität und Bedeutung des komplexen Faszien Systems hat zu neuen Sichtweisen und Methoden geführt. Gut funktionierend bildet es eine wichtige Grundlage für sportliche Leistungsfähigkeit und damit körperlicher Gesundheit.

Faszien finden sich in einer Vielzahl von Strukturen im menschlichen Körper

Faszien übertragen und speichern Kräfte (Muskel-Knochen), haben eine zentrale Bedeutung für das Spannungsgeschehen und die Formgebung im Körper und sind oft (unerkannter) Ausgangspunkt für Schmerzen und Beschwerden. Die Bestandteile der Faszien (Wasser, Kollagen, Zucker und Eiweiß) bilden Stränge und zugresistente Seile, Beutel, Taschen und Umhüllungen. Faszien sind an der Kapselbildung der Gelenke und Organe beteiligt, bilden Sehnen und Sehnenplatten, Bänder und Muskelsepten. Aus dieser Komplexität entsteht im Körper ein sich vielschichtig verbindendes Spannungsnetzwerk.

Faszien im menschlichen Körper
Faszien haben eine zentrale Bedeutung für das Spannungsgeschehen und die Formgebung im Körper. Quelle: Pixabay

Faszien sind an allen Bewegungsabläufen beteiligt und ohne sie wäre Rückfederung, Kraftübertragung und Vorspannung nicht denkbar. Bewegungen wie bspw. Laufen, Hüpfen oder Hocken erst gar nicht möglich. Sogenannte myofasziale Ketten verbinden weit voneinander entfernte Muskeln über Muskelschlingen und Bindegewebe und können so einerseits Kräfte übertragen – wie bspw. bei Sperrwerfern oder Kugelstoßern – andererseits aber auch Beschwerden fern des Schmerzentstehungsortes herbeiführen.

Faszien sind von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich

Die Beschaffenheit des Ganzkörpernetzwerks der Faszien kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein und wird maßgeblich von den täglichen Anforderungen bestimmt. Diese enorme Anpassungsfähigkeit zeigt sich auch in den unterschiedlichen Stärken und Längen, der Reiß- und Gleitfestigkeit des Gewebes. Der anatomische Aufbau zeigt eine spezielle Gitteranordnung der Faszien, die für die hohe Elastizität und die sog. Viskoelastizität – dehnbar und gleichzeitig zugfest – verantwortlich ist.

Bewegungsabläufe sind nur mit Faszien möglich
Faszien haben eine hohe Elastizität, sind dehnbar und gleichzeitig zugfest. Quelle Pixabay

Bei jungen und trainierten Menschen ist diese strukturelle Anordnung optimal – durch Alterungsprozesse, Stress, Bewegungsmangel oder Schonhaltungen werden die Fasern unelastisch und unflexibel. Sie verhärten oder verkleben, was zwangsläufig zu einem eingeschränkten Bewegungsspielraum der Muskulatur und langfristig zu Beschwerden und Schmerzen führen kann. Eine komplexe Sichtweise der Funktionalität und der Zusammenhänge sollte bei einer Schmerzbeurteilung jedoch immer berücksichtigt werden.

Trainierte, geschmeidige und gesunde Faszien sorgen für eine straffe Körperkontur, stabilisieren den Körper und geben Halt. Sie sind neben Muskel- und Gelenkrezeptoren ein wichtiges «Sinnesorgan» zur Steuerung und Wahrnehmung von Spannung und verschiedenen Gelenkpositionen, und helfen so dabei, Bewegungen zielgerichtet und perfekt auszuführen.

Wie trainiere ich meine Faszien?

Faszienfreundliche Bewegungen helfen die genannten komplexen Prozesse der Spannungsverhältnisse zu stabilisieren und letztlich zu verbessern. Im Training kann man erlernen, mit dem eigenen Fasziensystem spürbar und entsprechend sensibel umzugehen. Dies ist ein höchst individueller Prozess der von der Körperkonstitution, aber auch äußeren Faktoren wie den Lebensumständen beeinflusst wird.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse hierzulande, setzen östliche Kulturkreise in ihren (Kampf-)Sportarten schon mit Tradition seit Jahrhunderten ein. Auch bspw. beim Yoga, Pilates, Gymnastik oder funktionellem Training werden die komplexen strukturellen Zusammenhänge trainiert.

Eine Frau trainiert mit Yoga die Faszien
Faszienfreundliche Bewegungen helfen Spannungsverhältnisse zu stabilisieren und letztlich zu verbessern. Quelle: Pixabay

Starten wir also damit, in unserer bewegenden Hülle geschmeidig und entspannt zu sein, und Verspannungen und stressbedingte Missempfindungen sowie Schmerzen abzubauen.

Methoden des Faszientrainings:

  • Self Myofascial Release
  • Faszienstretching
  • Verbesserung der Körperwahrnehmung
  • Rebound Elasticity

Self Myofascial Release

Ein Mann rollt für die Entspannung der Faszien über eine Rolle
Self Myofascial Release (1, 2, 3) – Quellenangaben siehe Textende. Photo by Pexels

Die bekannteste und weit verbreitete Methode ist die «Muskelfaszien-Selbstentspannung» mittels Ausrollen (von außen). Es gibt eine Vielzahl von Rollen, Bällen, Stäben und sonstigen Hilfsmitteln, um verklebte und unelastische Faszienstrukturen zu lösen und ihre Funktionalität zu verbessern. Der mechanische Druck (und das Nachlassen) der von außen erzeugt wird, erhöht die Gleitfähigkeit des Gewebes und verbessert damit die Elastizität der Muskeln, die ja von Faszien ummantelt sind. Neben diesen Aspekten verbessert das Ausrollen die sensomotorische Kontrolle und die propriozeptiven Wahrnehmungsmöglichkeiten und kann ähnlich einer Triggerpunktmassage zur Schmerzbekämpfung eingesetzt werden. Das Spüren des Widerstandes und des Schmerz- und Druckempfindens ist von großer Bedeutung.

Das Ausrollen erfolgt im individuellen Tempo des Übenden durch eigene Bewegungen mit Hilfe einer speziellen Rolle (Ball o.ä.). Wichtig ist eine langsame und kontrollierte Bewegungsausführung in den Schmerz hinein ohne die Bewegung zu unterbrechen.

Optimaler Weise sollte jede Muskelgruppe von unten – beginnend an den Füßen – nach oben bis zu eine Minute lang ausgerollt werden, Schmerzpunkte dabei langsam und länger in beide Richtungen. Ziel ist, die eigenen Schmerzpunkte zu erkunden und auszurollen. Bei regelmäßigem Training erfährt man schnelle Veränderungen und wird «schmerzfreier».

Faszienstretching

In einem Trainingsraum werden die Faszien gestrecht
Ziel des Faszienstretchings ist es, möglichst komplexe und lange myofasziale Ketten anzusprechen. Quelle: Pixabay

Die «klassischen» Dehnübungen werden erweitert um den Bewegungsumfang. Das heisst, nach Dehnung eines Muskels kehrt man in die Ausgangsposition zurück und startet erneut in einem neuen Bewegungswinkel. Dieser ist nahezu unbegrenzt und jede Winkeländerung spricht andere Faszienanteile an. Bei regelmäßigem Training erweitert sich das Bewegungsausmaß spürbar.

Verbesserung der Körperwahrnehmung

Eine Frau macht Yogaübungen und verbessert ihre Körperwahrnehmung
Bewusste Körperarbeit und das Wahrnehmen von Bewegung. Photo by Pixabay

Bewusste Körperarbeit und das Wahrnehmen von Bewegung stehen hierbei im Vordergrund. Dies wird individuell über die Konzentration gesteuert und findet sich u.a. im Yoga, Pilates oder Tanzen, aber auch beim Self Myofascial Release und Faszienstretching wieder. Individuelle Besonderheiten zu beachten und im Training zu berücksichtigen ist entscheidend um ein besseres Körpergefühl zu entwickeln.

Rebound Elasticity

Pfeilbogen zum veranschaulichen wie das kollagene Bindegewebe arbeitet
Die Faszien arbeiten wie Federn. Quelle: Pixabay

Hierbei sind Schwung und Federung und der sog. «Katapult-Effekt» entscheidend. Die Faszien arbeiten wie Federn, die angespannt und entspannt sind, und daraus stammt auch die Bewegungsenergie bei Bewegungsformen wie bspw. dem Laufen. Dynamische Übungen und Dehnungen nach dem Prinzip des Faszienstretchings (in alle Richtungen) gehören hierzu und können beispielsweise mit einem persönlichen digitalen Coach trainiert werden.

Literaturangaben

(1) Kalichman L, Ben David C(2017). Effect of self-myofascial release on myofascial pain, muscle flexibility, and strength: A narrative review. J Bodyw Mov Ther.21(2):446-451.
doi: 10.1016/j.jbmt.2016.11.006. Epub 2016 Nov 14.
(2) Beardsley C, Škarabot J(2015).Effects of self-myofascial release: A systematic review. J Bodyw Mov Ther. 19(4):747-58.
doi: 10.1016/j.jbmt.2015.08.007. Epub 2015 Aug 28.
(3) Healey KC, Hatfield DL, Blanpied P, Dorfman LR, Riebe D (2014) The effects of myofascial release with foam rolling on performance. J Strength Cond Res 28:61–68

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