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Octaven & Töne hören, aber auch schmecken …?!

Anhand  durchgeführter Praxisbeispiele, möchte ich Ihnen liebe Leserinnen und Leser einzelne Lernübungen aus dem Bereich der Klangpädagogik näherbringen um hoffentlich  Neugierde zu sähen. Der Fokus liegt hier ganz klar auf einer sinnesuntypischen Art der eigenen körperlichen Wahrnehmungsebene, die in einem geschützten Rahmen mit entspannender Atmosphäre erkundet wird. Transparente Vor- und Reflexionsgespräche mit dem / der Teilnehmer/ in oder den pädagogischen Fachkräften, verdeutlichen persönliche Förder-,  Bildungs- und Lernziele und auch Erfolgserlebnisse. Dies ist Teil IV und damit der letzte Teil meiner Artikel-Reihe „Der Ton macht die Musik“.

Gerne verwende ich als Einstieg zu einer Klangeinheit Sinnesübungen zur Erweiterung des individuellen Erfahrungsschatzes. Wie ich Ihnen in dem ersten Artikel der Reihe beschrieben habe, bin ich ein großer Fan von ausgedehnten Experimentierphasen. Hier gibt es für mich zwei methodisch und didaktische Herangehensweisen. Entweder situationsorientiert, frei und  selbstständig das Equipment entdecken  oder in Form eines gruppenstärkenden Erlebnisses, für das ich mich ausnahmsweise an dieser Stelle entschieden habe. Im praktischen Einrichtungsalltag favorisiere ich dann doch die ersteren Bildungsansätze.

Dazu  gestalten die Kinder der Klanggruppe mit ihren Decken einen gemütlichen Sitzkreis auf dem Boden des Angebotsraums. Mittig, abhängig von der Gruppengröße, stehen Klangschalen in verschiedensten Hz-Frequenzen. Optisch spiegelt sich diese in dem Durchmesser des Außenrandes sowie der oberen Wandstärke (in mm) wieder. Als nicht immer zutreffende Faustregel sind die Töne gemischt von einer mittleren (dünnerer Rand) bis hin zu tieferen Tonlagen (dickerer Rand). Nacheinander sucht sich jedes Kind eine Klangschale aus und spielt sie mit Erwartung an.

Wenn ein Ton die Nase reizt

Alle können den angenehmen Klang hören, doch nun kniet sich die bzw. der Musizierende vor das schwingende Resonanzinstrument und versucht mit seiner Nasenspitze den oberen Rand zu berühren (Schwierigkeitsniveau mit geschlossenen Augen erhöht). Das Plenum erwartet schon gespannt die Reaktion (vor der pandemischen Lage)! Unsere Nase besteht von außen aus dem größten Sinnesorgan Haut  sowie von innen aus Schleimhäuten, Nervenenden und unzähligen Geruchsrezeptoren. Die Intensität der Reaktion resultiert hier aus der Aktion (Frequenz Anschlagskraft) und der individuellen Empfindlichkeit (Töne riechen *Sinnästhetik) und reicht von einem leichten, sanftmütigen Kitzeln, leisem Kichern bis hin zum mehrmaligen lauten Niesen.

Wissen sie, was mir persönlich immer wieder positiv aufgefallen ist? Das jedes Kind an der Klangschale mit den anderen Teilnehmer*innen der Übungsgruppe aus tiefstem Herzen gemeinsam lacht und nicht übereinander!

Auch diese Lernaktivität wurde mit einer kleinen Gruppe  durchgeführt. Die Kinder haben sich in einem Stehkreis neugierig um eine Auswahl von Klangschalen versammelt. Ihr metallisches  Eigengewicht ist hier ein Nachteil und sollte von jedem Individuum selbst bestimmt werden. Die oder der Beginnende sucht sich sein Resonanzinstrument für die weitere Anwendung aus. Auf der flachen Hand balancierend in Höhe des Gesichtes / der Lippen (1-2 Hände), wird mit eventueller Hilfestellung des Nachbarn die Klangschale angespielt. Mit weit geöffnetem Mund unter Verwendung der eigenen Zuge als Segel, wird die Resonanzwelle als leichter Luftzug spürbar, in ihrer Strömungsgeschwindigkeit verändert und somit in der Intensität des Empfindens im Rachenbereich variieren. Der Ton ist fast schmeckbar.

Beide Aktivitäten leben von dem wiederholten Ausprobieren verschieden frequenter Klangschalen und einem aktiven Gespräch im Anschluss an jede Übung, in dem jeder mit seinem Eindruck zu Wort kommt.

Eine sehr beliebte und interessante Lernaktivität im Verlauf einer umfangreichen Kurseinheit, ist bei nahezu allen Altersgruppen die Klangpyramide.

Situationsorientiert legen vor Beginn Kursanleiter*in oder die Teilnehmenden eine Auswahl an Klangschalen fest. Die Zusammenstellung beeinflusst das Klangerlebnis massiv aber sorgt gleichzeitig durch gewolltes Ausprobieren zu manch unerwartetem Resultat. In diesem Praxisbeispiel wurden drei Klangschalen

  • 25,5 cm Durchmesser & 253 Hz
  • 26,0 cm Durchmesser & 232 Hz
  • 29,0 cm Durchmesser & 231 Hz

mit Schaumstoffuntersetzern unterfüttert und mit circa 1,50 bis 2,00 Meter auf dem Boden dreieckig angeordnet.

Erleben von Resonanz und Schwingung

In Absprache der vier Teilnehmer*innen untereinander, setzen sie sich abwechselnd in die Mitte. An die drei Klangschalen teilen sich nun die anderen auf. Einer von ihnen koordiniert das gleichmäßige Anspielen im Uhrzeigersinn. Wiederholt, ohne Pause, hebt sich stetig die Gesamtlautstärke (Dezibel DB) unter Einfluss der Raumgröße sowie der materiellen Bauweise an.

An einem bestimmten Punkt versuchen die einzelnen Klangschalen eine Resonanz miteinander einzugehen. Die Schallwellen pegeln die Frequenzen zueinander an. Ein abwechselndes tief/heller werdendes Singen beginnt sich über den eigenen Klang der Resonanzinstrumente zu legen. Die Teilnehmenden stoppen nun das einzelne, rhythmische Anspielen in Reihenfolge.

Der Hörende in der Mitte erlebt den jetzt physikalischen Prozess wärmer, aktiver, druckvoller, durchströmender, kompensierter und konzentrierter. Das überlagerte Singen weicht einem tieferen Ton hin zu einem basslastigen, gleichbleibenden Wummern, das rappelnde sowie schwingende Fenster und Lampenkästen untermalen. Auch wenn die Klangschalen nicht mehr bespielt werden, hebt sich der Dezibel-Wert erst deutlich und hält diesen auch ein bis zwei Minuten, bevor es langsam leiser wird.

Octavierung, wird dies in der Akkustik sowie Physik genannt. Aber nur wenn der Frequenzton wie bei einer Spiraltreppe eine Octavstufe höher springt. Lebewesen, Moleküle, Naturelemente, einfach alle und alles existieren / basieren auf einer anderen Schwingungsebene.

Dieses Phänomen lässt sich in dieser Lernübung mit dem gesamten Körper wahrnehmen aber vor allem anschaulich, thematisch erklären. Natürlich reflektieren sich in einem anschließenden aktiven Gespräch, wie immer, die Individuen der Lerngruppe.  

Wirbelsäulenaufrichtung bei Jugendlichen und Erwachsenen

Dieses Element findet meist am Ende einer pädagogischen Klangmassage, auf einer Liege in aufrecht sitzender Position statt. Der / die Klangpädagoge*in benutzt für diese Lernübung die sehr hell klingenden Zimbeln. Die Zimbeln mit 10 cm Abstand gefühlvoll (sonst sehr lauter hoher Ton) auf Höhe des Beckens gegeneinander anklingen. Nun mit den schwingenden Zimbeln, dem Wirbelsäulenverlauf nach oben folgend, beidhändige, sich nach oben öffnende kreisende Bewegungen fahren und über dem Kopf des / der Partner*in ausklingen lassen.

Ich hoffe das ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, nun am Ende dieser Reise ins Land der klangpädagogischen Lern- und Förderaktivitäten ein gedanklich klares Bild skizzieren konnte. Sie glauben gar nicht, wie facettenreich und flexibel sich diese Bildungsarbeit in die Familien sowie den bestehenden Einrichtungsalltag integrieren lässt.

Wie Sie Wissen sind wir pausenlos von Geräuschen, Klängen, Tönen umgeben! Daher denken Sie bitte an folgendes. „Der Ton macht die Musik.“

Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute und bleiben Sie bei bester Gesundheit

Ihr Felix Käckermann

Gerne stehe ich Ihnen bei Rückfragen auf www.klangroom.com oder unter [email protected] zur Seite.  

Aktuelle Crowdfunding-Aktion zum Kommunenprojekt „Der Ton macht die Musik“
https://www.startnext.com/der-ton-macht-die-musik

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