Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten
Es kann jeden treffen. Ein Unfall, eine Krankheit, ein Schicksalsschlag. Ehe es einem bewusst wird, was geschehen ist, muss man sich damit abfinden, den Rest des Lebens im Rollstuhl zu verbringen. Alles ändert sich und man fragt sich: Warum ausgerechnet ich? Auch wenn das Verstehen der plötzlichen oder schleichenden Behinderung erst verkraftet werden muss, gibt es Menschen, die es sich zum Ziel setzen, genau für diese sonst schon eingeschränkte Gruppe etwas zu erschaffen.
Salvatore Avagliano schaffte zusammen mit seiner Frau Ellen bereits vor rund vierzig Jahren in mühsamer Kleinarbeit ein kleines Paradies, um Menschen mit Behinderung Urlaub zu ermöglichen. Er setzte sich gegen die Widrigkeiten der italienischen Bürokratie durch. Die Bemühungen wurden schließlich mit dem Bundesverdienstkreuz belohnt.
Rollstuhlurlaub: Von A-Z in guten Händen
Die Organisation der Reise erfolgt über das hauseigene Reisebüro in Essen. Alle Vorbereitungen und Formalitäten für die Reise werden individuell an die Bedürfnisse der Urlauber angepasst. Dazu gehört auch die rechtzeitige Anmeldung des medizinischen Gepäcks, damit die Reisenden beim Check-in keine bösen Überraschungen erleben. Reisende mit Handicap werden nach Voranmeldung vom flughafeneigenen Betreuungsservice vom Check-in bis zum Boarding begleitet.
Der Urlaub kann beginnen
In Rom gelandet, führt der zweistündige Transfer in einem mit allen Erfordernissen für Rollstuhlfahrer ausgerüsteten Kleintransporter durch die karge Landschaft Richtung Neapel, auch vorbei an Sabaudia, einer schmucklosen von Musolini aus dem Boden gestampften Stadt. Bis man San Felice Circeo erreicht, ist die Straße von grünen Alleen gefasst, jedoch ist der Boden karg, ja fast trist, ausgedörrt von der gleißenden Sonne, die auch den Insassen im Kleinbus auf das Gemüt schlägt. Nur manche Gärten lassen ahnen, dass auch ein wenig Grün als Oase der Frische, für das Auge, das Gemüt, vorhanden sein könnte. Schließlich kommt man nach San Felice Circeo und biegt in eine Straße, besser eine Zufahrt ein, die einem fast den Atem stocken lässt: Palmen, saftiges, grünes Gras, Pflanzen mit Früchten, Pflanzen mit Blüten, ein Heer von Blumen und der frische Duft, wenn die Erde den Tau des Morgens leckt. Ein wahres Paradies gegenüber der Umgebung, die man auf der Fahrt als ersten Eindruck der Reise gewonnen hat.
Auf Du und Du mit Gästen und Personal
Ausgesprochen freundlich, ja herzlich, werden die neuen Gäste von Sabina, der Chefin des Hauses mit Vornamen und freundschaftlichen «Du» begrüßt. Sie hat nach dem Tod ihres Vaters, Gründer Salvatore, die Leitung des Ferienzentrums übernommen.
Unterkunft ist einfach aber zweckmäßig
Alle Sonderwünsche, die Behinderungen mit sich bringen, werden schnell, unbürokratisch und fast ausnahmslos kostenlos erledigt.
Die Betten haben kein besonderes Design, sie sind ausschließlich praktisch. Sie können als Einzelbetten oder als Doppelbett verwendet werden. Verschieden breite Matratzen oder Einlagen lassen sich anbringen. Somit ist eine Mittelritze beim Doppelbett vermeidbar.
Der praktische Steinfußboden wirkt sauber und gepflegt, die Wände sind in italienisch-typischem weiß getüncht, so dass sie bei den hohen Temperaturen auch eine gewisse Frische ausstrahlen. Sowohl über einem Bett, wie auch im Bad befinden sich Haken an der Decke, die für eine Strickleiter genutzt werden können.
Im Bad fehlt die Duschwanne, dem Rollstuhlfahrer steht die gesamte Fläche des Bades und zusätzlich ein Duschsitz zur Verfügung. Der Duschschlauch ist lang genug, um ihn im ganzen Bad gebrauchen zu können. Vom Konzept her perfekt.
Gesunde und typgerechte Ernährung
Die Mahlzeiten bestehen aus mehreren Gängen. Rot- und Weißwein, sowie Wasser, mit und ohne Sprudel, werden zum Essen kostenlos gereicht. Gekocht wird mit Zutaten frisch vom Markt. Den Speiseplan findet man am Aushang. Wer möchte kann auch vegetarische Kost bestellen. Hierzu gibt das Küchenpersonal gern Auskunft. Auf eine Besonderheit ist Sabina Avagliano besonders stolz: Jeder kann sich individuell die Speisen nach seinem Ernährungsplan zusammenstellen. Man kann seinen Ernährungstyp angeben und erhält eine individuelle Zusammenstellung.
Sabina legt Wert darauf, dass sie keinen Gast bevormundet. So kann natürlich jeder so viel essen wie und was er will. Unterstützung bei der Wahl bekommt er in jedem Fall, sofern er es wünscht.
Zum Frühstück hat jeder Gast die Möglichkeit neben unterschiedlichem Kaffee mit kalter und warmer Milch sowie unterschiedlichen Teesorten aus 3 Fruchtsaftgetränken zu wählen. Gefiltertes, zimmerwarmes und gekühltes Wasser, mit und ohne Kohlensäuren, kann sich jeder den ganzen Tag so viel er mag zapfen.
Die Tische sind alle mit dem Rollstuhl unterfahrbar, Tische mit Mittelbein gibt es hier nicht. Zu Coronazeiten hatten die Gäste keinen Zugang zum Buffet. Die Speisen wurden nach Wunsch serviert.
Am Strand zeigt das Ferienzentrum sein wahres Gesicht: Alles ist für Rollstuhlfahrer und Rollstuhlfahrerinnen optimiert. Die Liegen sind in der Höhe so angepasst, dass ein Umsteigen vom Rollstuhl ohne große Höhendifferenz möglich ist. Auch die Sonnenschirme werden exakt nach Wunsch aufgestellt.
Rollstuhlurlaub am Meer macht glücklich
Sehr gut ist der Service für Rollstuhlfahrer, die in hauseigenen Rollstühlen in das und aus dem Wasser gefahren werden. Ob sie auf der Luftmatratze schwimmen wollen oder mit der Begleitperson ein wenig paddeln möchten, jede denkbare Hilfe wird angeboten.
Am Strand werden Melonenstücke kostenlos gereicht und der Kiosk mit Snacks, warmen Speisen und Getränken steht allen Gästen zu moderaten Preisen zur Verfügung. Hier werden auch die Lunchpakete ausgegeben, wenn man das wünscht. Der rollstuhlgerechte Bustransfer zum und vom Strand erfolgt zu festen Zeiten. Zwischen 9:30 und etwa 13:00 Uhr zum Strand und 15:00 bis 18:00 Uhr vom Strand in das Ferienzentrum. Reicht das nicht, werden eine Extrafahrten eingeschoben. Die Zeiten sind an den Haltepunkten und am Aushang einsehbar und werden den Bedürfnissen der Gäste angepasst. Jede Fahrt kann auch dazu genutzt werden sich in der Stadt oder am Markt absetzen zu lassen.
Am Strand befinden sich drei rollstuhlgerechte Toiletten und ein Sanitätsraum.
Einmal in der Woche findet das sogenannte «Grande Festa» statt. Bei diesem Fest werden alle Speisen am Buffet angeboten. Ist das nicht möglich, werden die Speisen serviert oder an entsprechenden geschützten Ständen ausgegeben.
An der Topsy Bar kann sich jeder verwöhnen lassen. Verschiedene Angebote mit alkoholischen und alkoholfreien Getränken werden nach Karte oder Wunsch gemixt.
Es gibt Live- oder Diskjockey Musik aus der Konserve, die allen die Möglichkeit gibt, den Abend mit (Rollstuhl-)Tanz ausklingen zu lassen und die Stimmung so anheizt, dass jeder auf seine Kosten kommt. Auf der geräumigen Fläche ist der Tanz auch mit dem Rollstuhl gewährleistet.
Unterschiedliche Angebote ergänzen den Rollstuhlurlaub
Es sind Ausflüge nach Pompei, Rom, Insel Ponza, zu unterschiedlichen Märkten, in die Altstadt von San Felice, etc. möglich. In San Felice Circeo z.B. zum Markt oder in die Altstadt, sind die Fahrten kostenlos. Die weiteren Fahrten kosten extra. Prinzipiell sind nahezu alle Ziele anfahrbar, wenn sie rollstuhlgerecht sind. Der Preis wird entsprechend angepasst. Die Preise sind fair, zumal immer jemand vom Ferienzentrum mitfährt und Ratschläge geben kann sowie der italienischen und deutschen Sprache mächtig ist, um als Dolmetscher agieren zu können.
In den letzten Jahren hat die Stadt San Felice Circeo in der Einkaufsstraße die Gehwege erneuert und diese sind für Rollstuhlfahrer sehr gut geeignet.
Von früh bis spät ist was los
Die Betten haben straffe Matratzen, auf denen auch behinderte Personen nicht versinken. Alle befragten Personen waren sehr zufrieden. Einige erwähnten, dass sie nicht gut zurecht kamen, aber innerhalb einer Viertelstunde die Matratze ausgewechselt wurde und danach alles in bester Ordnung gewesen sei. Das Frühstück ist bis 10:00 Uhr verfügbar. Lunchpakete können von der Küche zur Verfügung gestellt werden und sollten am Vortag abends bestellt werden. Der Inhalt besteht aus Ciabatta Brötchen und sind je nach Wunsch mit Schinken, Käse, Salami, etc. belegt. Auch Nudel- oder frischer Salat werden angeboten. Darüber hinaus findet man jeden Tag Besonderheiten. Wer mittags essen möchte, für den wird gekocht. Allerdings verbringen die meisten Gäste den Tag am Strand oder machen Ausflüge.
Ein einmaliges Reiseziel
Es ist unumstritten, dass dieses Ferienzentrum einmalig ist und gerade für Rollstuhlfahrer viel bietet, was sie sonst vergeblich suchen. Das ist besonders der Strand mit dem Service auch gehunfähigen Menschen einen Badeurlaub zu erlauben. Die Schlafräume sind eher schlicht gehalten. Aber wer verbringt in Italien schon den ganzen Tag in seinem Zimmer.
In den Zeiten von Corona gabt es einige Einschränkungen, wie Abstandsregeln und die Maskenpflicht in bestimmten Bereichen. Doch das Gesamterlebnis wurde kaum geschmälert. Das ist zum Glück vorbei und alle Maßnahmen sind aufgehoben.
Weitere Informationen finden Sie über:
Reisebüro Salvatore Avagliano
Janssenstr. 20
45147 Essen
Tel.: +49 – 201-706895
Fax: +49 – 201-735068
[email protected]
www.centroferiesalvatore.com
Weitere Destinationen bzw. Ausflugsziel mit dem Rollstuhl finden Sie unter
https://mypfadfinder.com/mit-dem-rollstuhl-zu-koenig-ludwig/
Ich bin Fußgänger. Kenne aber die Situation von Rollstuhlfahrern. Weil mein Sohn Betroffener ist. San Felice ist einmalig. Den Begründer sowie jetzt die Tochter und das gesamte Team Danke ich von ganzem Herzen. Monika
Endlich ein guter und umfassender Bericht über das einmalige Zentrum.
Ich bin langjähriger Gast. Mit 71 werde ich 2016 wieder zum Centro von Bonn aus fahren.