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Viele Städte und Gemeinden verfügen immer mehr über rollstuhlgerechte Wege, Geschäfte und Restaurants. Doch was ist, wenn auch die Rollstuhlfahrerin, der Rollstuhlfahrer ein wenig Natur pur schnuppern möchten?
Wer auf den Rollstuhl angewiesen ist kennt die Situation: Man muss sich vor Antritt einer Reise genau erkundigen wohin man fährt, ob die Unterkunft der persönlichen Einschränkung angepasst ist, wie die aktuelle Situation ist und wie man zum Ziel kommt.
Die Frage: Ist auch Personen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, ein Urlaub inmitten der Natur möglich?
Ob es ein Urlaub oder ein Desaster wird, hängt zunächst von der Unterkunft ab. Eine Ferienwohnung hat gegenüber einem Hotel den Vorteil, dass es keine festen Termine, wie z.B. bestimmte Frühstückszeiten gibt, sie in der Regel mehr Platz bietet und man seinen Tag frei gestalten kann. Die Auswahl traf Born, eine idyllische Gemeinde am Darß, beim Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Hier ist die Landschaft flach, ursprünglich und im Darßer Nationalpark ist vieles noch unberührt.
Als idealer Ausgangspunkt wurde eine Ferienwohnung in Born gewählt, die direkt an die weite Landschaft grenzt und deren Garten am Bodden endet. Am letzten Haus der Ortschaft liegt nur weite Landschaft vor den Besuchern, wenn sie aus dem Apartment oder von der Terrasse in Richtung Süden blicken.
Die Zufahrt vom Parkplatz ist barrierefrei. Im Haus gibt es keine Schwellen und die Dusche ist unterfahrbar.
Das Apartment ist gut ausgestattet und der Tisch, wie auch die Küchenzeile sind unter Spüle und den Kochplatten unterfahrbar.
Gastronomie barrierefrei in Born
Welche Möglichkeiten bieten sich für Rollstuhlfahrer*, wenn einmal nicht gekocht werden soll? Uns sind folgende Restaurants aufgefallen, die eine Zufahrt bis zum Tisch bieten. Die Ruhetage sollte man erfragen, da sie saisonbedingt geändert oder gestrichen werden. Eine Reservierung ist immer sinnvoll. Die Entfernungsangaben gelten vom Quartier Born, Mühlenstr. 7:
Mühle
Nordstr. 25, 18375 Born, 038234 – 472, www.muehle-born.de,
ca. 500 m/6min mit Rolli vom Quartier. Die Mühle ist das nächste Restaurant zur Unterkunft und mit Rollstuhl erreichbar. Allerdings ist nur ein Tisch ebenerdig. Die anderen Tische liegen im nächsten Raum, der 3 Stufen tiefer liegt. Die Speisekarte wird der Saison angepasst. Es ist sinnvoll vorher im Internet nachzusehen oder den aktuellen Aushang zu beachten.
Restaurant Rieming
Chauseestraße 97, 18375 Born a. Darß, Tel.: 038234 – 240,
https://de.restaurantguru.com/Restaurant-Rieming-Born-auf-dem-Darss,
ca. 1000m /12min. Angebot: Wild aus heimischen Wäldern, fangfrischen Fisch aus Bodden und Ostsee. Darüber hinaus vegetarische Köstlichkeiten. Hier werden auch, wenn möglich, Sonderwünsche erfüllt, sofern es der Küche möglich ist. Die Tische haben zwei Mittelbeine mit Bodenplatte und sind ca. 33cm in Tiefe und 72cm in der Höhe unterfahrbar.
Walfischhaus
Chausseestraße 74, 18375 Born a. Darß, Tel.: 038234 – 55786, https://walfischhaus.de/,
ca. 1100m, 14min.
Angebot: Regionale Köstlichkeiten, vorwiegend Fisch. Die Tische innen haben 4 Eckbeine und sind unterfahrbar (63cm), Tischhöhe 72cm. Die Klapptische außen sind nicht unterfahrbar. Die Behindertentoilette ist direkt gegenüber am Hafen – der Behindertentoilettenschlüssel ist nicht erforderlich.
Hafenbistro
Chausseestraße 76A, 18375 Born am Darß http://www.fisch-flotow.de/hafenbistro1.htm
1,3km / 16min, ist ein Fischgeschäft sowie Imbiss mit Fischbrötchen und Curry- bzw. Bratwurst.
Von 11:00 – 17:00 Uhr geöffnet, je nach Saison.
Nonna Maria, Ristorante – Pizzeria
Baderstr. 4, 18375 Born a. Darß, Tel: 038234 559040 oder: 0152 – 224 092 63
www.nonnamariaristorante.com, 2,3km, 28min. Hier gibt es italienische und kroatische Spezialitäten, sowie Fisch, Steaks, wie auch vegetarische Gerichte. Die Tische sind unterfahrbar.
Geöffnet von: 12.00 – 22.00 Uhr.
Born, ein ursprünglicher Ort
Born besteht aus sehr vielen Ferienhäusern, hat aber seine Ursprünglichkeit nicht verloren. Das liegt vor allem an der Born umgebenden Natur. Auf der einen Seite das Wasser des Bodden, auf der anderen Seite der Nationalpark mit seiner ausgedehnten Weite. Direkt hinter der Unterkunft liegt das weite Feld, das zum Teil mit dem Rollstuhl befahren werden kann. Eine Hilfsperson oder ein E-Rolli ist zu empfehlen.
Naturerlebnis auch für Rollstuhlfahrer – Bodden und Nationalpark
Gerade für Menschen, die sich vom Stress des Alltags erholen möchten, ist die Natur ein unerschöpflicher Quell, um den leeren inneren Akku wieder aufzuladen. Die Energie, die von der ursprünglichen Natur ausgeht, ist zu schätzen, hilft der inneren Ausgeglichenheit, und sie soll die Abwehrkraft enorm stärken. Was liegt näher die Gegend nach diesen Kriterien zu erkunden?
Ausgedehnte Wege für Fahrrad und Rollstuhl
Die Landschaft bietet durch ihre großen Ebenen ein Eldorado für Wanderer, Radfahrer und Rollstuhlfahrer. Aber: Was für Wandernde und Fahrräder nicht als Hindernis auffällt, kann für den Rollstuhl das Ende der Fahrt bedeuten.
Das Fahrrad kann über ein Hindernis hinweggehoben werden. Dieses Privileg ist der behinderten Person nicht gegeben. Steckt man mit dem Rollstuhl im Sand fest, muss man nicht gleich die 112 wählen. Oft sind andere Spaziergänger hilfsbereit und die kurze Sandverwehung ist überwunden. Bei solch einer Aktion kommt man ins Gespräch und erfährt Wissenswertes, das sonst an einem vorbeigegangen wäre.
Das I-Tüpfelchen der Natur: Der Darßer Nationalpark
Der Darßer Wald entwickelt sich zu einem Urwald, sieht aber heute schon so aus, wie sich ein Stadtmensch einen Urwald vorstellt und bietet alles, was man sich von Natur pur vorstellen kann: Urwüchsige Bäume, einen Boden voller verrottender Pflanzen mit vielen Kleinlebewesen und gesundem Ökosystem. Dazwischen lugen bereits die ersten Keimlinge neuer Pflanzen hervor, um vielleicht auch einmal so mächtig zu werden, wie die schattenspendenden Riesen, die das Dach dieses Naturwunders bilden.
Dieser Wald hat von den Hitzewellen fast nichts mitbekommen und funktioniert so, wie früher die meisten Wälder funktioniert haben.
Die Erkundung beginnt man am besten auf dem Parkplatz „Drei Eichen“. Dieser ist, von Born kommend, auf der Fahrt nach Ahrenshoop auf der rechten Seite. Der wenige hundert Meter später angelegte reine Behindertenparkplatz ist für den Besuch des Waldes weniger geeignet, da man wieder zurückrollen muss, um den Eingang des Urwaldes zu erreichen. Außerdem muss die Höhe zum Damm überwunden werden, während man von „Drei Eichen“ direkt in den Wald fahren kann.
Alternativ: Von Prerow West, dem Bernsteinweg in die Zeltplatzstraße und diese Richtung Leuchtturm fahren. Auch der Mittelweg ist recht gut mit dem Rollstuhl zu bewältigen. Allerdings ist es sinnvoll, je nach Witterungsverhältnissen, sich bei dem Nationalparkamt (038234 – 5020) zu erkundigen, welche Wege befahren werden können.
Die Wege sind so gestaltet, dass auch Rollstuhlfahrer einen großen Teil des Waldes erkunden können. Mächtige alte Bäume, bis zu 3 Meter hohe Farne und ein Duft, der alles Zivilisierte vergessen lässt, umhüllen den Besucher und führen ihn in eine Zeit der Natürlichkeit, der Ursprünglichkeit zurück.
Ein Genuss für Leib und Seele. Die teilweise gut befestigten Wege führen so durch den Wald, dass Personen im Rollstuhl allen anderen Menschen, egal ob zu Fuß oder mit dem Fahrrad, gleichgestellt sind. Ob Wasserlöcher mit Kleinlebewesen, verrottende uralte Bäume mit Baumpilzen, die sich hier einen festen Platz erobert haben, lassen einen auch im Rollstuhl diese grandiosen Vorstellungen der Natur hautnah erleben.
Jeder, der in diesem Wald einige Stunden verbracht hat, spürt die Kraft, die von dieser Natur ausgeht. Wer den Wald genießen kann, wird wahrscheinlich seine Abwehrkräfte so stärken, dass sich ein Heer von Pillen aus der chemischen Industrie einsparen lassen. Dazu gehört auch der persönliche Genuss, das Verharren an Stellen, die einen besonders berühren, an denen man spürt, was Energiefluss von der Natur zur eigenen Seele bedeutet.
So gestärkt fährt man mit einem kleinen oder auch großen Rucksack von Glückseligkeit aus dem Wald und kann davon noch eine ganze Weile zehren.
Der Strand in Prerow
Wer im Rollstuhl den Strand genießen möchte, findet in Prerow gute Voraussetzungen. Hier bietet sich der Parkplatz nahe der Touristeninformation in der Bebelstraße für Rollstuhlfahrer an. Er ist für Rollstuhlbenutzer kostenlos, wenn auch keine Rollstuhlparkplätze ausgewiesen sind. Der ausgewiesene Behindertenparkplatz bei EDEKA ist maximal eine Stunde kostenfrei nutzbar und bei Überschreitung wird von der Firma Parkdepot eine Vertragsstrafe von 25,-€ berechnet. Das gilt auch für Rollstuhlfahrer mit Ausweis und ist in den sehr kleingedruckten Vertrags- und Einstellbedingungen bei der Einfahrt auf den Parkplatz zu lesen. Vorsicht ist immer geboten, wenn „Privatparkplatz“ auf Schildern zu lesen ist.
Besonders komfortabel ist die Möglichkeit sich in der Tourist Information (9:00 – 18:00 Uhr geöffnet, Telefon 03 82 33 – 6100), einen kleinen Sender (Transponder) auszuleihen (kostenlos, 100,- € Kaution), um den Poller auf dem Weg zur Seebrücke zu versenken und die Rollstuhlparkplätze kurz vor dem Strand rechts an der Seebrücke zu erreichen. https://www.ostseebad-prerow.de/
Am Strand, unter der Obhut der DLRG, stehen Strandrollstühle zur Verfügung, die es auch behinderten Gästen erlauben in das kühlende Nass einzutauchen. Ist keine Begleitperson verfügbar, sind die freundlichen Damen und Herren der DLRG in Ausnahmefällen gern behilflich.
Wenn es mal nicht reine Natur sein soll: Ribnitz-Dammgarten
Wer etwas über Bernsteine erfahren möchte, für den ist das Bernsteinmuseum in
Ribnitz-Dammgarten Mitte, ein paar hundert Meter neben dem Marktplatz im Kloster und die Bernsteinmanufaktur in Dammgarten erste Wahl. Das Kloster bietet einen barrierefreien Zugang und einen Rolliparkplatz. Das gesamte Museum ist für Rollstühle erreichbar. Reduzierter Preis: 7,50 Euro, die Begleitperson ist frei.
Deutsches Bernsteinmuseum im Kloster Ribnitz, Im Kloster 1-2, 18311 Ribnitz-Damgarten
www.deutsches-bernsteinmuseum.de/
Bei der Bernsteinmanufaktur ist das Firmengelände großflächig barrierefrei und man kann seinen eigenen Bernsteinschmuck herstellen. Hier sind die unteren Bereiche mit der Produktion rollstuhlgeeignet. Die oberen Stockwerke mit der Ausstellung sind nur über Treppen erreichbar. Der Eintritt ist frei. OSTSEE-SCHMUCK GmbH, An der Mühle 30, 18311 Ribnitz-Damgarten www.ostseeschmuck.de
Auch der Marktplatz verfügt über einen Behindertenparkplatz. In der Touristeninformation (Tel.: 03821 – 2201 oder 03821 – 89340) im Bernsteinhaus, ein paar Meter vom Parkplatz entfernt, befindet sich eine Rollstuhltoilette, die von 8 – 21:00 Uhr geöffnet ist. Viele Geschäfte sind ebenerdig befahrbar. Allerdings nicht alle. Besonders, wenn es sich um historische Bauten handelt.
Die Marienkirche, in der Nähe des Marktplatzes, bietet einen rollstuhlgerechten Eingang und ein WC für Behinderte, das Besuchern der Kirche zur Verfügung steht und von 10 – 16:00 Uhr geöffnet ist. Der Turm ist für Rollstuhlfahrer leider nicht zugänglich, aber es soll ein Aufzug gebaut werden, der dann allen einen grandiosen Blick über die Stadt bieten soll. Leider steht der Termin noch nicht fest.
Rast der Kraniche
Wer im September bis Oktober Zingst besucht kann vom Hafen aus die Insel Kirr beobachten. Hier und von Pramort (vom Parkplatz Sundische Wiese ca. 8 km), dem östlichen Zipfel des Gebietes Zingst, machen tausende Kraniche Rast auf dem Weg in den Süden. Mit Sondergenehmigung kann man auch auf die Insel oder an geführten Radtouren teilnehmen. Allerdings muss dies mit der Kurverwaltung abgestimmt werden. Die Touren sind zahlenmäßig begrenzt und für Rollstuhlfahrer nur bedingt tauglich.
E-Rolli Aufladen
Mecklenburg-Vorpommern ist ein Radfahrerparadies. Durch den immer größeren Marktanteil von Elektrofahrrädern wächst die Zahl der Ladestationen. Diese können für den E-Rolli genutzt werden, sofern ein Ladekabel mitgeführt wird. https://radfahrland-mv.de/services/e-bike-ladestationen/
Natur genießen
Die Landschaft um den Darß ist für Menschen die Ruhe suchen eine ideale Möglichkeit abzuschalten und eine Art Selbstfindung zu erleben. Viele schalten ihr Handy ab und empfinden plötzlich, auch wenn es ein paar Tage dauern kann, eine unerwartete Ruhe und Ausgeglichenheit. Sie lernen zu genießen, um dann dieses Gefühl, diese Erfahrung mitzunehmen, um gestärkt der Versuchung zu widerstehen, in den alten Trott zu verfallen, entgegen zu wirken, um schließlich ein neues Lebensgefühl zu entwickeln. Diese Menschen erkennen, dass Termine, Stress, immerwährende Erreichbarkeit und Sklave des selbst erstellten Kalenders nicht der Lebensinhalt sein muss. Sie gewinnen Größe, um die wirklich wichtigen Dinge des eigenen Lebens zu erkennen. Viele sagen zu sich: „Ich werde meinen persönlichen Pfad finden.“
*Wir gehen davon aus, dass unsere Leser erkennen, dass immer alle Geschlechter gemeint sind. Im Text verwenden wir nur eine Möglichkeit, um die Lesbarkeit nicht zu verschnörkeln.