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1937 wurden die historischen Orte Arendsee und Brunshaupten-Fulgen zur Gemeinde Brunshaupten-Arendsee zusammengeführt und ein Jahr später, 1938, in Ostseebad Kühlungsborn umbenannt. Die neue Gemeinde erhielt Stadtrechte. Aus vormals getrennten und auch rivalisierenden Zeiten gibt es heute zum Beispiel noch die Konzertgärten Ost und West oder die zwei Seebrücken.
Ca. 8.900 Einwohner sehen sich jährlich über 450.000 Touristen mit 2,5 Millionen Übernachtungen gegenüber, die ein gepflegtes Seebad mit vielfältigen Unterhaltungsangeboten erwartet. Doch warum sollten Menschen mit eingeschränkter Mobilität einen Urlaub in Kühlungsborn in Erwägung ziehen? Kühlungsborn hat an sie gedacht und vorgesorgt! Sie finden sehr viele Alltagserleichterungen, die in anderen Urlaubsorten so nicht zur Verfügung stehen.
Eigentlich möchte man nur in die Ferien fahren
Warum sollte das mit einem Rollstuhl nicht möglich sein? Man muss nur den richtigen Ort wählen und schon hat man Rampen, abgeflachte Bordsteine, Aufzüge in Ämter, Geschäfte, Museen, Restaurants, muss keine Gebühren für Blindenhunde oder eingetragene Begleitpersonen zahlen, was dann doppelt zu Buche schlägt.

Natürlich flach
Kühlungsborn ist von der Natur gesegnet: Die höchste Erhebung in Kühlungsborn ist der Blocksberg, ein Hügelgrab im Stadtwald mit ca. 24 Metern über dem Meeresspiegel. In der Umgebung sind es 78 Meter in Bastorf, einer Nachbargemeinde, auf der der höchstgelegene Leuchtturm an der deutschen Küste steht. Dann gibt es noch den 7 km entfernten Dietrichshagener Berg an der Kühlung mit 128 Metern Höhe. Von Älplern belächelt, so ist dies ein großer Vorteil für Rollstuhlfahrer. Es gibt fast keine schwer zu überwindenden Steigungen. Sicher hat auch Kühlungsborn Hügel. Aber diese sind durch einen kleinen Nebenweg zu umfahren. Kopfsteinpflaster, bei dem der Rollstuhlfahrer nicht nur schwer zu tun hat und die Gefahr besteht, dass die schmalen Räder in den Lücken festklemmen, gibt es selten. Man hat sich große Mühe gegeben, nahezu alle öffentlichen Orte mit dem Rollstuhl besuchbar zu machen. Und natürlich die rund 4 km lange Flaniermeile, die durchgängig vom Hafen Kühlungsborn Ost bis West rollstuhlgerecht ist.

Zum Touristenzentrum im ersten Stock des „Haus des Gastes“ führt ein Nebeneingang mit Aufzug, und alle Stockwerke sind erreichbar; im ersten Stock die Informationen und das Beratungspersonal, im Untergeschoss die Behindertentoiletten.

Der Strand
Das Aushängeschild eines jeden Ostseebadeortes ist der Strand. Ist er steinig, überzogen von Algen und Tang? Oder ist es ein weißer Sandstrand, an dem man kilometerweit barfuß laufen kann?

Wie kann der Rollstuhlfahrer den Sandstrand genießen, ohne darin zu versinken? Kühlungsborn bietet zwei Rollstuhlstrände (Zugang 8 in Ost und 18 in West). Holzbohlen und Kunststoffbahnen führen direkt an den Strand bis zum Wasser. Die Strandpromenade gibt es obendrauf und bleibt nicht mehr die einzige Option für den Rollstuhlfahrer.

Durch die DLRG, die am Rollstuhlstrand auch die Strandaufsicht hat, besteht die Möglichkeit, einen Wasserrollstuhl auszuleihen oder sich mit diesem und DLRG-Unterstützung in die Ostsee fahren zu lassen. Somit können auch Menschen mit Behinderung das kühle Nass hautnah erleben.

Die Unterkunft
Was nützt das schönste Urlaubsziel, wenn ein Rollstuhlfahrer keine auf seine Bedürfnisse ausgerichtete Unterkunft findet? Ferienwohnung oder Hotel – die Wahl sollte sich ganz nach den persönlichen Vorlieben bzw. Gegebenheiten richten. Ein guter Service im Hotel ist abzuwägen gegen ein flexibles Wohnen in der Ferienwohnung, wo individuelle Essenszeiten bestimmt werden können und das Zubereiten gewohnter oder evtl. sogar verordneter diätetischer Gerichte möglich ist. Selbstverständlich schließt das einen gemütlichen Restaurantbesuch nicht aus.
Neben neun Hotels und sechs Ferienwohnungen, die im offiziellen Flyer von Kühlungsborn als rollstuhlgerecht genannt werden, gibt es weitere Unterkünfte. Hier sollte vor der Buchung unbedingt Kontakt mit den potenziellen Gastgebern aufgenommen werden, da jede Behinderung individuell betrachtet werden muss. Passt der Abstand neben der Toilette oder dem Bett? Ist dieses unterfahrbar oder kann ein Galgen installiert werden? Manche Notwendigkeiten und Details für einen problemlosen Aufenthalt werden von den Vermietern gern großzügig unterschätzt.
Gaststätten
In Kühlungsborn gibt es über 60 Restaurants und 14 Cafés. Hinzu kommen Imbiss- und Eisstände. Etwa 80 % können ohne Stufen besucht werden. Viele sind ebenerdig, mit Rampe versehen oder über einen Aufzug erreichbar. In manchen Gaststätten sind der Außenbereich und einige Tische ebenerdig erreichbar, wenn der Rest des Restaurants nur über Stufen besuchbar ist. Manche Tische sind ohne Mittelbein oder Querverstrebungen, sodass der Rollstuhl mit Fußrasten darunter passt. Hier muss jeder individuell die für ihn passenden Gegebenheiten ansehen.
Ebenerdige bzw. Rollstuhltoiletten haben zwölf Gaststätten, aber das kann man verschmerzen, da über den Ort verteilt relativ viele Rollstuhltoiletten verfügbar sind.
Geschäfte und Informationen
Die Geschäfte sind sehr touristisch orientiert. Auch hier sind nur wenige, ausschließlich über Stufen, erreichbar. Neben den typischen Andenken, Postkarten und Boutiquen findet man auch regionale Lebensmittel. Allen voran Produkte aus Sanddorn in vielen Varianten, der hier ideale Wachstumsbedingungen vorfindet. Apotheken, Schreibwaren, Bücher, Backwaren und die Geschäfte für den alltäglichen Bedarf wie auch Kaufhäuser sind in der Regel mit dem Rollstuhl besuchbar. Teils ebenerdig, teils mit Rampe oder/und Fahrstuhl. Alle Angebote wie Apotheken, Post, öffentliche Verkehrsmittel, Freizeit/Kultur, ärztlicher Bereitschaftsdienst etc. findet man in der Broschüre der Stadt „Barrierefreiheit im Ostseebad Kühlungsborn“. In manchen Sanitätshäusern kann man Gerätschaften wie Galgen, Rollstühle etc. reservieren und diese werden auf Wunsch kostenpflichtig in die Unterkunft geliefert. Eines davon in Stäbelow: MTS Sanitätshaus AG, Tel.: 038207 – 76 64 0

Weitere Unterlagen, wie das Gastgeberverzeichnis, in dem die rollstuhlgerechten Unterkünfte gekennzeichnet sind, kann man sich von der Touristeninformation bereits vor Anreise zuschicken lassen. Homepage: www.kuehlungsborn.de. Sehr viele Informationen sind auf dieser Homepage verfügbar. Im Haus des Gastes erhält man weitere Hinweise, um den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.
Veranstaltungen
Variabel, je nach Jahreszeit, werden sowohl von der Stadt als auch private Veranstaltungen angeboten. Der Monatsplan hierfür liegt in vielen Geschäften, den Unterkünften und auch im Haus des Gastes aus und ist im Internet verfügbar. In den Konzertgärten West und Ost erfreuen regelmäßige, kostenlose Darbietungen den Besucher, sei es Livemusik, Modenschauen oder Vorführungen, die von den örtlichen Vereinen organisiert werden.

Immer dienstags, wenn das Wetter mitspielt, gibt es ein Strandlagerfeuer beim Beachclub am Strandzugang 10. Weiterhin werden Kurse oder Veranstaltungen zum Mitmachen angeboten. Ob Töpferei, Malen, Bernsteinschleifen, Karaoke etc., fast jeder findet hier etwas, das den persönlichen Vorlieben entspricht.
Der Veranstaltungsplan hängt auch öffentlich aus. Z. B. am Konzertgarten Ost und West und in vielen Unterkünften. Natürlich auch auf der Homepage von Kühlungsborn.
Ausflüge
Macht das Wetter einen Aufenthalt am Strand nicht gerade angenehm, kann man sich genügend anderen Angeboten widmen.

Beispielsweise ist das eine Stadtrundfahrt in einem der Kleinbahn nachempfundenen Minizug auf der Straße, dem „Bäder-Express“, der auch Rollstühle aufnehmen kann. Um einen Rollstuhlplatz zu erhalten, sollte man sich mit dem Reisebüro Henschel (Tel.: 038203 – 13 957) in Verbindung setzen. Hier kann man einen Platz reservieren, da nicht alle Bahnen einen Rollstuhlplatz haben. Der Fahrpreis für Behinderte ist nicht ermäßigt. Auch die Begleitperson zahlt den vollen Preis.
Eine Fahrt mit der Molli, einer Kleinbahn, die zwischen Bad Doberan und Kühlungsborn Ost verkehrt, versetzt die Besucher in die Zeit der „guten alten Dampflok“. Allein beim Duft des Dampfes verspüren die, die ihn noch erlebt haben, eine Atmosphäre von „damals“. Mit der Wertmarke fährt die behinderte Person kostenfrei. Auch die eingetragene Begleitperson. Es gelten die gleichen Bedingungen wie im öffentlichen Nahverkehr.

Der Leuchtturm in Bastorf bietet einen schönen Blick über die Umgebung von Kühlungsborn. Zwar können eingeschränkt gehfähige Menschen nicht auf den Turm steigen, aber mit Rollstuhl-Parkausweis kann man bis zum Rollstuhlparkplatz direkt am Leuchtturm fahren.

31 km entfernt liegt das sehenswerte Warnemünde. Hafen, Uferpromenade, Leuchtturm und das ganze Hafengebiet sind vom Behindertenparkplatz aus stufenlos erreichbar, ebenso wie viele Geschäfte. Zur Herausforderung wird allerdings das mit großen Fugen versehene Kopfsteinpflaster, das leicht diagonal überfahren werden muss, sodass der Rollstuhl nicht in den Fugen stecken bleibt.

Die Angebote der Fischstände sind stufenlos erreichbar. Auch das Heimatmuseum ist für Rollstuhlfahrer geeignet, und alle Räume sind besuchbar. Lediglich der kleine Außenbereich ist nur über eine Treppe zu erreichen, kann aber von oben angesehen werden. Ist man als Rollstuhlfahrer allein unterwegs, kann man im Museum anrufen, um Unterstützung vor dem Haus zu erhalten, Tel.: 0381 – 52 667. Das Heimatmuseum in Kühlungsborn ist leider nur über Treppen erreichbar.

Das Karls Erlebnis-Dorf in Rövershagen, ca. 43 km von Kühlungsborn entfernt, kann auch mit Rollstuhl besucht werden.
Während der Erdbeerzeit dominiert die gesunde Frucht die Speisekarten und man hat die Wahl zwischen den unterschiedlichsten kulinarischen Variationen. Aber auch viele Gaststätten locken mit köstlichen Gerichten. Nach der Stärkung geht es zum Kinderspaß oder zum Zusehen bei der Herstellung verschiedener Lebensmittel. Auch Einkaufsmöglichkeiten gibt es reichlich. Hier wird so viel geboten, dass ein Tag allein, in Gesellschaft oder mit der Familie wie im Flug vergeht.

Wer das Flair größerer Städte genießen möchte, ist mit den Hansestädten Wismar (43 km) und Rostock (31 km) gut beraten. In Rostock sind mehrere Behindertenparkplätze direkt auf dem Universitätsplatz/Ecke Klosterhof vor dem Kulturhistorischen Museum. Hier ist auch eine Rollstuhltoilette. Von hier ist es nicht weit zur Fußgängerzone.
In Bad Doberan ist auch das Kloster mit dem Rollstuhl zu erkunden.
Eintritt ermäßigt 3,– €, die eingetragene Begleitperson ist frei. Rollstuhlparkplätze findet man direkt am Marktplatz, im Kloster und in weiteren Straßen in der Stadt. Die Rollstuhltoiletten sind im Rathaus, im Kloster und an weiteren gekennzeichneten Plätzen. Bad Doberan hat gut ausgebaute Fußwege. Allerdings findet man auf den Straßen häufig grobes Kopfsteinpflaster. Es kommt sogar vor, dass die abgeflachten Bordsteine direkt auf das Pflaster führen, obwohl einen Meter weiter ein ebenes Pflaster angebracht ist, dort aber der Bordstein nicht abgeflacht ist.
Der Naturstrand in Kägsdorf ist ein ruhiger, naturbelassener Strand, der bis zum Parkplatz auch vom Rollstuhl besucht werden kann. Die See ist vom Behindertenparkplatz einsehbar, besuchen kann man den Sandstrand nur mit einer kräftigen Hilfsperson, da keine Bohlen gelegt sind. Zum Sonnenbaden mit Meeresrauschen und Vogelgezwitscher ideal.

Heiligendamm, ein Nachbarort von Kühlungsborn, zeigt, wie abgeschieden gut Betuchte in Abwesenheit des „einfachen Volkes“ zu leben verstehen. Manch ein Gast lässt sich hier mit dem Hubschrauber einfliegen. Auch am Strand ist der Service exzellent. Rollstuhlgerechte Zimmer werden dem Wunsch des Gastes angepasst.

Rollstuhltoiletten
Zwölf Restaurants geben an, zugeschnittene Toiletten für die Bedürfnisse der Rollstuhlfahrer zu haben. An der Strandpromenade befinden sich etwa alle 400 Meter Rollstuhltoiletten. Insgesamt sind es 11 rollstuhlgerechte öffentliche Toiletten in Kühlungsborn. Diese sind so platziert, dass man die nächste Toilette in maximal 5–10 Minuten innerhalb von Kühlungsborn erreichen kann.
Am Strand sind es die Zugänge 8, 10, 14, 23 und Konzertgarten West.
Für die Rollstuhltoiletten benötigt man nicht den internationalen Toilettenschlüssel. Ein Vorteil, wenn man den Schlüssel vergessen hat, ein Nachteil, da die Toiletten auch von nicht Behinderten benutzt werden, obwohl neben den Rollstuhltoiletten auch „normale“ Toiletten vorhanden sind.

Fazit
Kühlungsborn ist ein Ort, in dem Rollstuhlfahrer willkommen sind und ihren Urlaub unbeschwert genießen können. Sie müssen ihre Unternehmungen nur planen und können gewiss sein, dass sie ohne Probleme fast überall hingelangen. Dafür hat Kühlungsborn viele bauliche Maßnahmen und Informationsmöglichkeiten geschaffen und ist ein besonderes Urlaubsziel, das seinesgleichen sucht.
*Es sind immer alle Geschlechter gemeint.
© Bilder: Stefan Weller