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«Der Mensch ist was er isst» oder «Die Milch ist, was die Kuh frisst». Dabei denkt man sofort an saftige Wiesen, hoch oben auf einer Alm und glaubt die Kuhglocken zu hören. Momente später erscheinen vor dem geistigen Auge die Bilder von eingepferchten Kühen, die so gut wie nie das Tageslicht erblicken und ein erbärmliches Leben als Milchproduzenten fristen.

Es ist verständlich, dass man der Milch der artgerecht gehaltenen Kühe mehr Vertrauen entgegen bringt, als der Milch der Stallgenossen, die mit industriell hergestelltem Spezialfutter die Maximierung der Milchproduktion als Sinn des Lebens erkennen müssten. Ein ganz anderer Aspekt ist vielen Menschen unbekannt: Welche Rolle spielen die Hörner an der Kuh?

Milka, die lila Kuh

Eine Umfrage bei Kindern zeigte, dass manche der Auffassung sind, es gibt halt von Natur aus Kühe mit und ohne Hörner. Andere meinten, «nur männlichem Rindvieh wachsen Hörner, weil sie kämpfen müssen». Immerhin: Nicht alle Kinder beantworteten die Frage nach der Farbe mit lila. Gut vorstellbar, dass auch Erwachsene ähnlich denken.

Inzwischen weiß man, dass die Hörner als durchbluteter Körperteil, wichtige Funktionen bei der Verdauung einnehmen. Der Verdauung? Am Kopf? Kühe sind Wiederkäuer. Vergleicht man Rinder in Regionen, in denen das Futter sehr karg ist, sind oft riesige Hörner zu beobachten.  Auf der saftigen Alm sind die Hörner eher klein – sofern sie noch vorhanden sind und nicht bereits abgebrannt oder abgesägt wurden.

Enthornte Kuh
Enthornte Kühe sind anfälliger für Krankheiten. Bild: Stefan Weller

Eine Studie in Südamerika hat gezeigt, dass enthornte Kühe anfälliger für Krankheiten sind, als Kühe mit Hörnern. Das stellte der Tierarzt Josef Werr in seinen Untersuchungen bereits 1930 fest. Bei saftigem Gras war dies kaum festzustellen, wohl aber bei karger Nahrung. Er fand auch heraus, dass, je nach Nahrungsangebot, in kargen Gegenden eher Rassen mit großen Hörnern zu Hause waren. Aber auch, dass in wenigen Generationen die Hörner innerhalb einer Rasse sich dem Futterangebot anpassten.

In Europa werden etwa 80% der Rinder enthornt

Die Enthornung kam Zustande, weil immer mehr Herdentiere auf immer weniger Raum untergebracht werden. Manche argumentieren den Eingriff mit Verletzungsgefahr, andere meinen, «die Tiere seien dadurch ruhiger und weniger aggressiv». Dabei sind Kühe eher friedfertige Wesen, die lediglich einen Schlaf- bzw. Wiederkäuplatz einnehmen möchten. Auf der Weide spielt das keine Rolle, wohl aber bei nicht artgerechter, enger Haltung.

Ärzte aus Deutschland und der Schweiz haben Milch behornter und unbehornter Kühe verglichen. Bei einigen sieht man einen deutlichen Unterschied: Die Milch enthornter Kühe hat eine kantige Struktur, während Milch von horntragenden Kühen eine feine Struktur hat. «Ein Unterschied ist deutlich sichtbar, doch für einen Beweis muss erst noch wissenschaftlich weitergeforscht werden», berichtet BR-Online.

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Behornte Kühe sehen nicht nur schöner aus, sondern die Milch wird auch besser vertragen. Bild: Stefan Weller

Dr. med. vet. Wilhelm Höfer hat detaillierte Bildauswertungen zu Milch, Harn und Blut von behornten Kühen und enthornten Kühen ausgewertet und kommt zu dem Schluss, dass die Kühe ihre Hörner brauchen und durch Enthornung degenerative Zustände im Nerven-Sinnessystem des Hausrindes entstehen und die Qualität der Milch beeinträchtigt wird. Dazu schrieb er auf der Älpler-Internetseite «Zalp.ch» einen ausführlichen Bericht.

Im Allgäu ist es inzwischen bekannt, dass nicht nur Hornkuhmilch von Milchallergikern besser vertragen wird, sondern auch, dass der aus dieser Milch gewonnene Käse wohlschmeckender zu sein scheint und auch länger halten soll.

Wo gibt es denn diese wertvollen Milchprodukte?

Lediglich der Demeter Verband schreibt vor, dass Kühe nicht enthornt werden dürfen. Bleibt also dem Konsumenten nur die eigene Suche nach Milch und Käse von behornten Kühen. Der Allgäuer Käse-Affineur Thomas Breckle ist vom Hornvieh überzeugt. Er geht regelmäßig auf die Suche nach diesen «Raritäten».

Aber auch in der Schweiz wird man mit dem «Urnäscher Hornkuhkäse» fündig. Hier gibt es ausschließlich Käse von behornten Kühen. Auch wenn Johannes Schefer, Betriebsleiter der Urnäscher Milchspezialitäten AG aus reiner Tierliebe die Entfernung der Hörner ablehnt, handelt er intuitiv richtig. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Bei der ersten Teilnahme an der «Käsiade 2014», bei der alle zwei Jahre rund 400 Käsesorten aus ganz Europa bewertet werden, gewann der «Urnäscher Hornkuhkäse» die Goldmedaille.

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Milch direkt von der Kuh – davon träumen viele Menschen. Bild: dpa

Ein Milchinsider beantwortete die Frage nach der besten Milch: «Es ist doch egal, von welcher Kuh die Milch stammt. Die Milch, die Sie im Supermarkt erwerben, hat so viele technische Prozessschritte hinter sich, dass Sie von dem, was die Kuh abgegeben hat, meilenweit entfernt ist. Da wird erst das Fett ganz entzogen und dann wieder in der gewünschten Menge von 0,5%, 1,5%, oder was auch immer dazugegeben. Dann kommt noch die Pasteurisierung mit Temperaturen von bis zu 75° Celsius oder gar bis 150° Celsius bei der H-Milch, die übrigens auch beim Bauern, bis auf Roh-, Ab-Hof- oder Vorzugsmilch, vorgeschrieben ist. Was soll denn da von der Milch noch übrig bleiben? Nur Träumer glauben, dass bei diesen Prozessen das Schädliche eliminiert, das Gute erhalten bleibt und auch noch eine lange Haltbarkeit herausspringt. Auch das Homogenisieren von Rohmilch kann zu Allergien führen, da die Fettpartikel sehr fein zerschlagen werden und zu schnell ins Blut gelangen. Egal ob mit oder ohne Horn.

Sollten Sie einen Hornkuhbauern finden, der Ihnen die Milch direkt von der Kuh gibt, dann beglückwünsche ich Sie. Wenn diese Kühe dann noch auf einer Wiese und nicht nur einer Weide grasen, die all die Kräutlein bietet, die eine Kuh sich wünscht, im Winter das Heu dieser Wiese erhält, dann ist das perfekt. Besser geht nicht. Der abgebende Betrieb darf die Milch unter gesetzlichen Auflagen tatsächlich an den Verbraucher abgeben. Dann gilt wirklich: Milch macht müde Männer munter.

Aber viele kennen den Geschmack dieser Milch nicht und lehnen sie ab, da sie bei der frühkindlichen Geschmacksprägung bereits auf Industriemilch und Industrieprodukte getrimmt wurde. Wenn dann noch der Rahm, auch Milchhaut genannt, erscheint, wird es für viele irgendwie komisch und sie greifen wieder zur Industriemilch».

Weitere Informationen zu den Themen «Horn-Kuh-Milch»:

Buch: Die Bedeutung der Hörner für die Kuh
Im Buchhandel ISBN 978-3-03736-272-3

oder über das Forschungsinstitut für biologischen Landbau  als kostenloser PDF-DownloadMerkenMerkenMerkenMerken

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