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Gerade jetzt vor Weihnachten ist die Zeit, in der man das Jahr, die vergangene Zeit, noch einmal an seinem geistigen Auge vorüberziehen lässt. So kommt es, dass einem im Rahmen einer gewissen Ruhe und Besinnlichkeit Gedanken der Kindheit und der Jugend durch den Kopf gehen. Es kommen Gedanken, die nur am Ende des Jahres Platz in unseren Köpfen haben, aber auch Gedanken, die in diesem Jahr ganz besonders belasten. Diese Zeit sollte man sich gönnen, auch um zu verstehen, dass 2020 ein Ausnahmejahr war und es auch hoffentlich bleibt. Doch blicken wir weiter zurück. Was war vor dieser Coronazeit?

Was hat das Weihnachten von heute noch mit dem Weihnachten zu tun, das wir aus unserer Kindheit kennengelernt oder es zumindest so in Erinnerung behalten haben? Weihnachten fängt immer früher an. Was früher nach Weihnachten ein Schweben auf sinnlicher Ebene war, wird heute abrupt durch das nächste Konsumgeschäft abgelöst. Natürlich schwappt vieles aus Amerika herüber, wo alles auf Konsum getrimmt ist. Früher hatte der Nikolaus auch mal einen grünen oder braunen Mantel an. Heute ist es das von Coca Cola eingeführte Rot. Warum sagt ein Nikolaus oder Weihnachtsmann nicht «Von draußen vom Walde, da komm ich her, ich muss Euch sagen, es weihnachtet sehr …» sondern plötzlich «Ho, ho, ho»?

Schenken von Herzen

Wer erkennt heute noch die heimlichen Wünsche seiner Mitmenschen – sofern es die überhaupt noch gibt – und bastelt etwas, was genau diesem Wunsch entspricht und niemals in dieser Form zu kaufen wäre? Wer macht sich überhaupt die Mühe bei Freunden zu erkennen, welche heimlichen Wünsche sie haben? Wie viele Menschen kontrollieren nur noch die Geschenke, ob sie auch möglichst kostenintensiv beschenkt wurden, aber nicht ob die Gabe wertvoll vom Herzen kommt und blicken nicht mit Freude auf die Dinge, die sie erhalten haben, sondern auf das, was der Nachbar, der Freund mehr bekommen hat?

Nehmen wir einmal an, ein Mitarbeiter bekäme von seinem Vorgesetzten 100,- Euro geschenkt. Dieser Mitarbeiter würde sich sehr darüber freuen und erzählen, wie er sich jetzt den einen oder anderen Wunsch erfüllen kann. Nach ein paar Tagen erfährt dieser Angestellte, dass allen anderen Kollegen 200,- Euro geschenkt wurden. Wird sich dieser Kollege noch über seine 100,- Euro freuen können? Warum verschenken wir nicht Zeit? Mancher Großmutter wäre sicher ein Tag mit den Lieben viel wertvoller, als ein neues Bügeleisen.

Gedanken zu Weihnachten

Warum, so fragt man sich, tun wir uns das an? Warum besorgen wir nicht die unvermeidbaren Geschenke bereits im Januar, wo noch die Erinnerung an Weihnachten da ist und zusätzlich so manches Schnäppchen gemacht werden kann? Nur, weil wir nicht wissen, ob wir die eine oder andere Person überhaupt im kommenden Dezember noch beschenken wollen? Oder warten wir zumindest bis zum September? Schließlich wissen wir doch das ganze Jahr über, dass Weihnachten kommt. Für die Personen, für die man etwas mit «Herz» sucht, läuft einem bestimmt etwas über den Weg, wenn man nur ohne Hektik mit wachen Augen über das Jahr hinweg ein wenig hinsieht und nicht erst am 24. Dezember losstürmt. Hört man seinen Mitmenschen ein bisschen aufmerksam zu, kann man manchmal die Wünsche erfahren, ohne dass diese glauben einen Wunsch geäußert zu haben.

September: Termin für Geschenke im Kalender eintragen

Für alle anderen: Warum also nicht in den Terminkalender als festen Termin verbuchen:  «Weihnachtsgeschenke kaufen!» – dann wird es auch gemacht. Das Papier zum verpacken hat man ja vom letzten Jahr noch zu genüge und plötzlich diese unendliche Freiheit vor dem Fest. Man kann, da wo man sie noch findet, gemütlich über Weihnachtsmärkte spazieren, oder zumindest durch einige Fußgängerzonen, wo manche Händler ihre Angebote mit Abstand anbieten, nicht hetzen, um dieses oder jenes ergattern zu müssen, sondern wirklich bummeln. Man sieht die Menschen mit anderen Augen, man riecht Glühwein, Bratwürste, Maronen, Lebkuchen, Anis und die frisch gegerbten Lederwaren, die ein anderer Händler versucht an den Mann, die Frau zu bringen. Vielleicht glaubt man auch aus einem Stand mit vielen Holzfiguren einen kleinen Schneemann oder ein Schaukelpferd flüstern zu hören: «Nimm mich mit!»,

Schenken zu Weihnachten

sieht so manch einen Vierbeiner, der verstohlen auf die Bratwurst seines Herrchens blickt und erhascht den Augenblick, dass tatsächlich Herrchen oder Frauchen ein Stück abbricht, es kalt bläst und dann Waldi zum genüsslichen Verzehr zwischen seine Lippen reicht.

Menschen zuhören, ein großes Geschenk.

Man kann auch einmal stehen bleiben und mit Menschen, in diesem Jahr mit Abstand, sprechen oder zuhören, was in unserer Zeit Mangelware ist und ihnen den einen oder anderen Gedanken mitteilen. Sie sind einem dankbar für das Gespräch und schon hat man ein «Geschenk» verteilt oder zumindest einen Menschen zum Lächeln gebracht. Man kann wieder schlendern, muss nicht hetzen, steckt die Zunge heraus, um doch noch die eine oder andere Schneeflocke zu erhaschen und lauscht dem Schülerposaunenchor, der sich am Rande des Weihnachtsmarktes 100 mal mehr ins Herz spielt, als jede professionelle Weihnachtsshowveranstaltung.

Weihnachten: Zeit für Besinnung

Und dann sitzt dort tatsächlich ein Obdachloser und hat einen Hut vor sich stehen. Viele Menschen gehen vorbei und beruhigen ihr Gewissen mit «der versäuft ja doch alles, was man ihm gibt». Doch wer von diesen Personen geht hin zu diesem Menschen und fragt ihn, ob er ihn zu einer Bratwurst und einem Getränk einladen kann? Was hat er für ein Schicksal hinter sich? Wie vieles kann man von diesem Menschen bei der Bratwurst erfahren!

Hinaus in die Vergangenheit

Dann geht man hinaus, dorthin, wo man früher oft war. Plötzlich sieht man wieder Elfen und Kobolde, wenn man durch den verschneiten oder nebelverhangenen Winterwald stapft, erkennt Gestalten, die aus den Wipfeln der verschneiten Bäume herabschauen und riecht die eigene Kindheit, man ist zeitlos, unendlich, in innerem Frieden. Still ruht der See und man kann seine Gedanken treiben lassen.

Weihnachten mal draussen

An einer Hütte hängen vom Dach ein paar Eiszapfen

Weihnachten mir Eiszapfen

und «knack» hat man einen abgebrochen und berührt ihn mit den Lippen so, wie man es früher getan hat. Der Kutscher steht mit seinem Schlitten am Wald

Kutscher zu Weihnachten

und es gibt keine Hektik, sondern nur Freude, Ruhe und Gelassenheit.

Weihnachten kommt immer näher

Ist es so weit, dass die Vorweihnachtszeit ihren Höhepunkt erreicht, dann kann man in diesem inneren Glück genießen. Harmonie, statt des Weihnachtsstreites, Ausgeglichenheit statt Hektik und schließlich schmeckt sie, die mit viel Liebe zubereitete Weihnachtsgans- oder Ente,

Zu Weihnachten Ente oder Gans

bei der man die Gespräche führen kann, zu denen man das ganze Jahr kaum gekommen ist. Genießen, was in jedem Moment mit jedem der lieben Menschen um einen in gerade diesem Augenblick genossen werden kann. Wie schnell merkt man, welch wunderbare Menschen um einen sitzen. Jeder mit seinen kleinen Fehlern und großen Vorzügen. Man kennt sie. Doch gerade mit der Gelassenheit des weihnachtlichen Abstandes vom Alltag erkennt man die wahre Großartigkeit der Lieben, die sonst in der Hektik des Alltags nicht gesehen wird oder in unserer Betrachtung in den Hintergrund tritt.

Jetzt und nicht ersetzbar, unwiederbringlich

Wer nun wirklich bis hier lesen konnte, hat vielleicht doch die Ruhe gefunden, die oben erwähnt wurde. Vielleicht sitzt die Eine oder der Andere vor dem Kamin, der vierbeinige Liebling wärmt die Füße und ab und zu rinnt ein köstlich warmes Getränk die Kehle hinunter. Vielleicht klagen auch manche über zu viel Ruhe und Besinnlichkeit, weil ihnen fast das ganze Jahr über diese verordnet wurde. Manchen gehen die Sorgen durch den Kopf, die ihnen der Entzug ihrer beruflichen Grundlage beschert hat und sie nicht wissen, wie es weitergehen soll. Aber gerade in diesen Zeiten erkennt man die wahren Freunde, auf die man sich auch in dieser Situation verlassen kann. Und wenn man mit den wirklichen Freunden Weihnachten feiert, dann sind bei vielen von uns wohl auch die Auflagen erfüllt, nur in kleinen Gruppen zusammen zu kommen.

Ihnen, liebe Leserinnen und Lesern sowie ihren Lieben, wünsche ich, gerade bei der besonderen Situation in diesem und sicher auch im kommenden Jahr, ein gesegnetes Weihnachtsfest, alles erdenklich Gute, vor allem Glück, Gesundheit, und dass Sie bald wieder viel Freude mit täglich mindestens einem (besser mehr) freudigen Lachen erleben dürfen.
Von ganzem Herzen alles Gute im neuen Jahr!

Ihr Stefan Weller

6 Kommentare

  1. Hallo Stefan, es ist September- also höchste Zeit an Weihnachten zu denken ! Denn mit der Alltagshektik wundert man sich doch manchmal, dass plötzlich der 24.Dezember ist 🙂 Aber die Geschenke die von Herzen kommen sind seid eh und je die besten! Egal was sie gekostet haben. Und ein Kinogutschein oder eine Einladung zum Essen ist viel mehr wert, als das teuerste „In“Geschenk. Mit lieben Menschen frohe Stunden zu verbringen, kann nicht gekauft werden. Herzliche Grüße.,Hannelore

  2. Hallo Hannelore,
    wie weise, bereits jetzt an Weihnachten zu denken und nicht zu denen zu gehören, die am 24. Dezember, oder in diesem Jahr am 23. Dezember, in die Geschäfte stürmen, um „irgendwas“ zu ergattern. Herzlichen Glückwunsch, Du schenkst mit dem Herzen.
    Liebe Grüße von Stefan

  3. Hallo Heike,
    vielen Dank, ich habe sie genossen. Es freut mich, dass Dich der Artikel anspricht und ich hoffe, Du konntest sie eben in diesem Sinn genießen. Für das neue Jahr wünsche ich alles erdenklich Gute!
    Ganz herzlich Stefan

    • Wie recht Sie haben. Viele sehen nur die aktuelle Situation und nicht welche Umstände den Menschen dahin gebracht haben. Wir alle hatten keinen Einfluss darauf, wohin und in welche Verhältnisse wir geboren wurden. Schön, wenn es Menschen wie Sie gibt, die auch hinter die Fassade sehen.
      Beste Grüße sendet
      Stefan Weller

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