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Plötzlich und unerwartet sind viele Menschen damit konfrontiert, dass ein Familienmitglied zum Pflegefall wird. Die Betroffenen werden in einen Pflegegrad eingestuft und die Angehörigen können durch das Pflegegeld eine gewisse Aufwandsentschädigung erhalten. Man möchte die Verwandten nicht ins Heim geben, sie sollen in der gewohnten Umgebung leben. Allerdings kennen viele Pflegende, die ihre Angehörigen in deren Haushalt pflegen und sich sehr für diese Menschen aufopfern, nicht die Möglichkeit der Verhinderungspflege.
Verhinderungspflege – worauf kommt es an?
Leider bewerben die Kassen selten die Möglichkeit der sogenannten Verhinderungspflege. Erst auf Nachfrage erhält man Auskunft. So kennen die wenigsten pflegenden Angehörigen diese Möglichkeit der Abrechnung. Verhinderungspflege ist nichts anderes, als eine Zahlung der Kasse an eine private Person, die für die Pflegeperson einspringt, wenn diese verhindert ist die Pflegeleistung zu erbringen.
In der Praxis
Nehmen wir an, eine Pflegeperson, die sich bereit erklärt hat Opa oder Oma zu pflegen und täglich für sie da ist, hat einen Termin, ist selbst krank oder hat wichtige Besorgungen zu erledigen, so kann sie eine Pflegekraft engagieren. Voraussetzung ist, dass die betroffene Person bereits seit 6 Monaten in häuslicher Umgebung gepflegt wird (kann auch vor der Vergabe des Pflegegrades sein und ist dann z.B. von einem Arzt zu bestätigen) und die Ersatzkraft nicht mit der zu pflegenden Person verwandt ist.
Die Kasse zahlt der privaten Ersatzkraft für die Verhinderungspflege bei einer Person mit Pflegegrad 2 (früher Pflegestufe 1) 1.612,- € im Jahr. Für eine Kurzzeitpflege in einer stationären Einrichtung können nochmals 1612,- € mit der Kasse abgerechnet werden. Aber: Nimmt man die Kurzzeitpflege nicht in Anspruch, so steht die Hälfte zusätzlich für die Verhinderungspflege zur Verfügung. Das sind 1.612,- € plus 806.- € = 2.418,- € pro Jahr. Dann allerdings stehen für eine Kurzzeitpflege, sofern man sie benötigt, nur noch 806,-€ zur Verfügung.
Achtung: Ist die Ersatzpflegeperson bis zum zweiten Grad mit der zu pflegenden Person verwandt, so ist die Verhinderungspflege auf maximal das 1,5 fache des monatlichen Pflegegeldes begrenzt. Das können zwar auch bis zu 2.418,- € sein, da auch Verdienstausfall und km-Geld angegeben werden können, ist aber im Einzelfall nachzurechnen.
Bis 2.418,- € zahlen die Kassen im Jahr
Die Ersatzkraft kann dieses Geld als Aufwandsentschädigung abrechnen. Das sind ca. 160 Stunden/Jahr, wenn man einen Stundensatz von 15,- € annimmt. Der Stundensatz kann zwischen dem zu Pflegenden und der Pflegekraft frei abgestimmt werden. Ist dieser zu hoch, kann es am Jahresende knapp werden und es steht kein Geld mehr zur Verfügung. Ist er zu niedrig, schöpft man möglicherweise den Etat nicht voll aus.
Es sollte stundenweise abgerechnet werden
Um zu vermeiden, dass der normale Pflegesatz gekürzt wird, sollte man versuchen ausschließlich stundenweise Verhinderungspflege abrechnen. Das sind Pflegeleistungen unter 8 Stunden pro Tag. Ab 8 Stunden wird das Pflegegeld gekürzt. So führt eine mehrtägige Verhinderungspflege, wie eine Urlaubsfahrt, in jedem Fall zur Kürzung des Pflegegeldes. Das trifft auch zu, wenn man die gepflegte Person im Urlaub nur stundenweise pflegt. Denn: Die normale Pflegeperson wird nicht beansprucht. Wichtig: Ist die Pflegeperson nicht nur stundenweise (z.B. Arztbesuch), sondern tageweise (z.B. Urlaub) verhindert zu pflegen, so wird der Pflegesatz gekürzt. Sollte die Verhinderungspflege an mehreren Tagen hintereinander stattfinden, so ist zu begründen, dass es sich tatsächlich um stundenweise Verhinderungspflege handelt, die eben nur an aufeinander folgenden Tagen stattgefunden hat. Sonst wird dies von der Kasse möglicherweise als tageweise Ersatzpflege eingestuft, auch wenn es sich nur um wenige Stunden pro Tag handelt und es erfolgen Kürzungen.
Bleibt man unter 8 Stunden, so ist, je nach Kasse, nur eine Angabe der Stundenzahl an den Pflegetagen anzugeben, nicht aber die Leistung selbst. Früher war ausschließlich eine reine Pflegeleistung, wie z.B. Umbetten, Toilettenbegleitung, Baden, Füttern, Aufräumen, Putzen etc. abrechenbar. Heute sind auch andere Pflegeleistungen, wie Spaziergänge, Gespräche, Unterhaltung zur psychischen Unterstützung, gemeinsames Essen nach kochen der Speisen durch die Pflegekraft, etc. akzeptiert.
Die Leistung sollte beantragt werden
Nun kann man diesen oder jenen netten Nachbarn bitten Oma oder Opa zu pflegen, wenn man selbst verhindert ist. Sinnvoll ist es die Verhinderungspflege von der zu pflegenden Person oder deren Betreuer/in zu beantragen, auch wenn das vom Gesetz so nicht vorgeschrieben ist. Das ist bis zu vier Jahren rückwirkend möglich, sofern die Ersatzkraft bereits Pflegeleistungen erbracht hat, aber z.B. nichts von der Verhinderungspflegeabrechnungsmöglichkeit wusste. Der Antrag sollte jedes Jahr neu gestellt werden, verlängert sich also nicht automatisch ins nächste Jahr. Allerdings reicht auch die Abrechnung, die alle von der Kasse gewünschten Informationen enthalten muss.
Abgerechnet wird direkt mit der Ersatzpflegekraft oder, wenn der/die zu Pflegende die Ersatzkraft bereits bezahlt hat, auch mit der zu pflegenden Person. Die Kassen stellen entsprechende Abrechnungsformulare zur Verfügung. Sie akzeptieren aber auch z.B. eine Tabelle, in der die Zeiten aufgelistet sind und die Daten von Verhinderungspflegekraft und gepflegter Person enthalten sind. Die Abrechnung kann monatlich oder in längeren Abschnitten erfolgen. Bewährt hat sich eine Quartalsabrechnung.
Viele pflegende Familienangehörige können durch die bezahlte Verhinderungspflege auch einmal ausspannen oder notwendigen Verpflichtungen nachgehen, zu denen sie aufgrund der Situation sonst keine Möglichkeit haben.
Bei Fragen wenden Sie sich an Ihre Krankenkasse, die Organisation Pflege durch Angehörige ( https://www.pflege-durch-angehoerige.de/pflegende-angehoerige/ ) oder senden Sie eine E-Mail an [email protected].