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Von Sandra Neumayr-Sopp

VpsyB e.V. – Verband Psychologischer Berater


Fühlen Sie sich manchmal erschöpft, gereizt oder zwischen den Generationen aufgerieben? Wenn Sie als Teil der „Sandwich-Generation“ den Spagat zwischen erwachsenen Kindern, Schwiegerkindern, Enkeln und unterstützungsbedürftigen Eltern meistern, geraten eigene Wünsche und Bedürfnisse oft in den Hintergrund. Dieses Spannungsfeld ist emotional fordernd und verlangt viel Kraft, Einfühlungsvermögen und Flexibilität.

Familienrollen im Wandel: Zwischen Unterstützung und Überforderung

Die Lebensphase zwischen 50 und 70 ist für viele Menschen geprägt von vielfältigen Familienaufgaben. Während die eigenen Kinder sich verselbstständigen, stehen oft neue Rollen als Schwiegereltern oder Großeltern im Raum. Gleichzeitig benötigen die eigenen Eltern zunehmend Unterstützung. Dieses Wechselspiel der Generationen bringt Nähe, aber auch Konflikte und Überforderung mit sich. Es ist nicht ungewöhnlich, sich hin- und hergerissen zu fühlen – zwischen der Sorge um die Eltern, dem Wunsch, für die Enkel da zu sein, und dem Bedürfnis, die eigenen Kinder zu unterstützen, ohne sich einzumischen. Oft bleibt wenig Raum für die eigenen Bedürfnisse, und Gefühle wie Erschöpfung, Frustration oder auch Schuld schleichen sich ein.

Loslassen lernen: Neue Beziehungen zu erwachsenen Kindern, Schwiegerkindern und Enkeln

Loslassen und Vertrauen sind zentrale Herausforderungen: Die erwachsenen Kinder gehen eigene Wege, treffen Entscheidungen, die man nicht immer nachvollziehen oder beeinflussen kann. Hier gilt es, einen neuen Platz im Leben der Kinder zu finden – präsent, aber nicht vereinnahmend, unterstützend, aber nicht bestimmend. Schwiegerkinder und Enkel bereichern das Familienleben, bringen aber auch neue Dynamiken, Werte und Erwartungen mit. Es braucht Zeit und Offenheit, um neue Beziehungen wachsen zu lassen und gegenseitigen Respekt zu entwickeln.

Gleichzeitig wächst die Verantwortung für die eigenen Eltern. Die Sorge, ob es ihnen gut geht, ob sie Unterstützung brauchen, kann belasten – besonders, wenn eigene Kräfte oder Ressourcen begrenzt sind. Viele erleben einen inneren Konflikt: Will ich helfen oder muss ich helfen? Darf ich auch mal Nein sagen, ohne mich schuldig zu fühlen? Die Erfahrung zeigt: Nur wer sich selbst Raum für Erholung und Selbstfürsorge nimmt, kann langfristig auch für andere da sein.

Generationen im Konflikt: Unterschiedliche Werte und Erwartungen

Gerade im Spannungsfeld zwischen den Generationen entstehen häufig Konflikte. Unterschiedliche Werte, Lebensentwürfe und Erwartungen treffen aufeinander: Während die älteren Generationen oft an traditionellen Vorstellungen von Familie, Erziehung oder Lebensstil festhalten, legen die jüngeren Wert auf Selbstbestimmung, Flexibilität und neue Rollenmodelle. Schwiegerkinder bringen ihre eigenen Prägungen und Wünsche mit ein, was zu Missverständnissen oder auch zu verdeckten Loyalitätskonflikten führen kann. Konflikte entstehen beispielsweise, wenn Großeltern sich mehr Einfluss auf die Erziehung der Enkel wünschen, als die Eltern bereit sind zuzulassen, oder wenn sich erwachsene Kinder durch elterliche Ratschläge bevormundet fühlen. Auch zwischen Geschwistern oder Cousins und Cousinen können Spannungen auftreten, etwa bei der Organisation von Familienfesten oder der Pflege der Eltern. Diese Konflikte sind normal, doch sie können das Miteinander belasten, wenn sie nicht offen angesprochen und gemeinsam bearbeitet werden.

Wissenschaftlicher Blick: Belastung und gesundheitliche Folgen

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Belastung der „Sandwich-Generation“ mit einem erhöhten Risiko für Erschöpfung, Stress und psychosomatische Beschwerden einhergeht (Grundy & Henretta, 2006; Brody, 2012). Hinzu kommen Schuldgefühle, wenn eigene Wünsche und Bedürfnisse zu kurz kommen. Gerade deshalb ist es wichtig, sich selbst nicht zu vergessen und für die eigene seelische Gesundheit zu sorgen. Perfektionismus ist hier fehl am Platz – niemand kann immer allen gerecht werden.

Impulse für mehr Balance:

  • Gönnen Sie sich regelmäßig kleine Auszeiten, auch wenn es nur kurze Momente sind.
  • Sprechen Sie offen mit allen Generationen über Wünsche, Grenzen und Erwartungen.
  • Nehmen Sie Unterstützung im sozialen Umfeld oder durch professionelle Beratung an.
  • Und erlauben Sie sich, nicht perfekt zu sein – Ihre Kraft ist wertvoll und endlich.

Professionelle Unterstützung: Mehr Stärke, Klarheit und Gelassenheit

Die Familienlandschaft wandelt sich stetig. Wer die Herausforderungen annimmt, kann neue Formen von Nähe, Verständnis und Zusammenhalt erleben. Professionelle Beratung bietet Raum, um Konflikte zu reflektieren, Lösungen zu entwickeln und die eigenen Ressourcen zu stärken. Sie sind nicht allein mit Ihren Gefühlen. Es ist ein Zeichen von Stärke, sich Unterstützung zu holen und für das eigene Wohlbefinden zu sorgen. Nur wer für sich selbst sorgt, kann langfristig auch für andere da sein. Die Erfahrung zeigt: Mit Offenheit, Gelassenheit und gegenseitiger Wertschätzung kann das Familienleben im Wandel gelingen – und zu einer Quelle von Kraft und Freude werden.


Quellen

  • Grundy, E. & Henretta, J.C. (2006). Between elderly parents and adult children: A new look at the intergenerational care provided by the „Sandwich Generation“. Ageing & Society, 26(5), 707-722.
  • Brody, E. M. (2012). The Sandwich Generation: Adult Children of the Aging. Journal of Gerontological Social Work, 55(7), 641-659.
  • Schulz, R., & Eden, J. (2016). Families Caring for an Aging America. National Academies Press.

Veranstaltungshinweis
10. Dezember 2025 – 18.00 Uhr online
Familienleben im Wandel – Herausforderungen mit erwachsenen Kindern, Schwiegerkindern, Enkeln und eigenen Eltern

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