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Von Ralf Wuzel und Katja Anders
Kennen Sie dieses ungute Gefühl in unserer ach so werteorientierten Welt, wenn wir in der Wirtschaft von Humankapital oder Humanressourcen sprechen? Auch Arbeitskraft, Manpower oder Produktionsfaktor Mensch sind Begriffe, die die Schizophrenie unserer Zeit widerspiegeln, in der Anspruch und Wirklichkeit zwei Welten zu sein scheinen. Dabei geht es doch gerade um uns: um Menschen und nicht um austauschbare Ressourcen, die nur der Effizienzsteigerung und Produktivitätsmaximierung dienen. Auch in der Arbeitswelt neigen wir zu Verallgemeinerungen und Schubladendenken. „Der Fachkräftemangel“, „die Führungskraft“, „die Generation X, Y, Z“. Als gäbe es einfache und allgemeingültige Antworten auf komplexe Fragen.
Es ist höchste Zeit, diesen Missstand anzuprangern und Individualität, Würde und Potenziale in den Mittelpunkt zu stellen.
Zu Beginn eine kleine Anekdote: Wir sind immer wieder auf Karrieremessen am Stand der Interessenvertretung 50Plus e.V. vertreten. Auf einer dieser Messen in Sachsen sprach mich ein etwas älterer Herr an und erkundigte sich nach Karrieremöglichkeiten. Er war auf Empfehlung eines Bekannten, der bereits eine solche Messe in Süddeutschland besucht hatte, extra zwei Stunden angereist. Wir kamen ins Gespräch und als er unser Formular ausfüllte und sein Geburtsjahr eintrug, traute ich meinen Augen kaum: Jahrgang 1944, Beruf: freiberuflicher Softwareentwickler. Seine Motivation, sein Antrieb, beruflich aktiv bleiben zu wollen, hat mich sehr beeindruckt. Umso mehr freute ich mich, als ich ihm kurze Zeit später ein neues berufliches Projekt vermitteln konnte, das er, nebenbei bemerkt, mit Bravour meisterte und auch noch einige andere Problem im Unternehmen löste. So kann es gehen!
Die zunehmende Resignation der über 50-Jährigen
Was wir aber auch oft erleben, ist Ernüchterung bis hin zur Resignation. Wir sprechen mit Menschen, die jahrelang auf dem Arbeitsmarkt aktiv waren und nun mit zunehmendem Alter Schwierigkeiten haben, eine neue Stelle zu finden. Menschen, die das Gefühl haben, mit über 50 nicht mehr gebraucht zu werden oder den Anforderungen der Unternehmen nicht mehr gerecht zu werden. Das ist deprimierend zu hören, vor allem, wenn man weiß, dass dieses Gefühl unberechtigt ist.
Die Erfahrung all dieser Tage und Gespräche war, dass es eigentlich um ein Problem geht: Wie finden Menschen über 50 Unternehmen, die sie wertschätzen und die mit ihnen arbeiten wollen? Denn Worte wie Wertschätzung und Achtsamkeit sind in unserer Gesellschaft leider mehr oder weniger zu leeren Worthülsen verkommen. Weshalb wir eine Idee hatten, die wir zur Vision werden ließen: Den Menschen mit all seinen Facetten zu sehen und zu verstehen, mit ihm Möglichkeiten zu finden, sich noch weiterzuentwickeln und ihn auf dem Weg zu seiner neuen Arbeit zu begleiten. So entstand aus der Interessenvertretung 50Plus heraus die Initiative EFA – Erfahrene Fachkräfte als Chance für den Arbeitsmarkt.
EFA klingt ein bisschen nach Anfang, für den einen oder anderen vielleicht sogar nach Paradies. Und nun fragen Sie sich, was das alles mit erfahrenen Fachkräften für den Arbeitsmarkt zu tun hat. Zunächst einmal gar nichts. Aber so wie wir bei EFA arbeiten, müssen wir Ihnen doch einiges erklären. Keine Angst, wir sind keine Eva, womöglich noch in Form einer KI, die Ihnen eine Plattform vorstellt und Ihnen sagt, dass Sie sich einfach zum nächsten Job oder zum neuen Mitarbeiter klicken können. Nein, hier geht es um Erfahrung, um Zuhören und darum, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Nur wer sich seiner selbst bewusst ist, kann sein volles Potenzial bewusst und überzeugend zur Geltung bringen.
Deshalb haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit der Interessenvertretung 50plus e.V. Lösungen zu finden, die den Menschen garantieren, nicht als Produktionsfaktor behandelt zu werden, sondern als wertgeschätzter Mensch, der von anderen Menschen dabei unterstützt wird, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.
So haben wir uns entschlossen, ein Unternehmen zu gründen, das genau diesen Ansprüchen gerecht wird. Es entstand EFA als Lizenzunternehmen der Interessenvertretung 50plus e.V.. Wir gehen den Weg vom Ich, dem Suchenden, zum Du, dem Betreuten, zum Wir, den Menschen auf dem gemeinsamen Arbeitsmarkt.
Der Zukunftsplan als Grundlage für die richtige Personalstrategie
Wir waren überwältigt von dem großen Interesse. Deshalb konnten wir allen Interessenten mitteilen: Sie sind mehr als Sie denken und das ist gut so, denn Sie sind nicht allein! Sie stellen einen Teil der Zukunft unserer Wirtschaft sicher. Das große Interesse zeigt aber auch das Problem unseres Arbeitsmarktes und unserer Wirtschaft insgesamt: Wir haben nicht verstanden! Und vor allem: Wir haben keinen Plan für die Zukunft.
Viele Wirtschaftsführer haben die Entwicklungsgeschwindigkeit der KI unterschätzt. Sie haben auch völlig verkannt, welche Qualitäten ihre Mitarbeiter heute mitbringen müssen. Sie haben fast durchweg Leute mit den falschen Qualifikationen eingestellt – Menschen, die aufgrund ihres Alters noch ohne Erfahrung sind, aber eben „preiswert“. Sie brauchen aber Mitarbeiter, die in der Lage sind, die Ergebnisse der KI zu beurteilen und deren Wert einzuordnen. Sie brauchen erfahrenes Urteilsvermögen.
Wir werden als Gesellschaft einfach älter, und erfahrene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 50 werden auf dem Arbeitsmarkt zu einer immer größeren Chance. Sie bringen eine Fülle von Vorteilen mit, die für jedes Unternehmen von unschätzbarem Wert sind: umfassende Erfahrung nach langjähriger Berufstätigkeit, Stabilität und Verlässlichkeit, ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit, mit Problemen und Krisensituationen umzugehen. Auf der anderen Seite sehen sie sich mit Vorurteilen bis hin zur Altersdiskriminierung konfrontiert. Ältere ArbeitnehmerInnen seien demnach nicht mehr fit genug, nicht mehr anpassungsfähig oder nicht mehr leistungsfähig. Oft ist das Gegenteil der Fall.
Downaging beschreibt das Phänomen, dass sich ältere Menschen heute jünger fühlen und verhalten, als es ihrem biologischen Alter entspricht. Dieser Trend äußert sich in einem aktiven Lebensstil, einer aufgeschlossenen Haltung gegenüber neuen Technologien und der Bereitschaft, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Gründe für das „Downaging“ können ein gesünderer Lebensstil, eine bessere medizinische Versorgung und der Wunsch nach einem erfüllten Leben im Alter sein. Diese Entwicklung ist nicht nur ermutigend, sondern regt auch zum Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den Generationen an. „ProAging. Die Alten machen uns jung“ heißt das Buch des Zukunftsforschers Harry Gatterer. „Nur mit den neuen FreeAgern – oder anders gesagt: mit der Weisheit der Alten – können wir die komplexen Herausforderungen und Krisen des 21. Jahrhunderts bewältigen“, heißt es dort. Besser kann man es nicht beschreiben.
Qualitätsanspruch Generationenfreundlichkeit
Diese Entwicklungen und Erfahrungen haben EFA dazu bewogen, einen anderen Weg einzuschlagen und gegen den Trend der rein digitalen Vermittlungsplattformen zu agieren. EFA setzt auf den persönlichen Kontakt – zu Unternehmen und Bewerbern. Dieser Ansatz ermöglicht es, die Bedürfnisse beider Seiten genau zu verstehen und maßgeschneiderte Lösungen zu finden. Wir sind davon überzeugt, dass der persönliche Austausch das Vertrauen zwischen Unternehmen und Bewerbern stärkt und eine nachhaltige Arbeitsbeziehung fördert. Nicht immer ist es möglich, für jeden Bewerber sofort eine passende Stelle zu finden. Dafür halten wir an unserem Qualitätsanspruch fest und vermitteln in der Regel an generationenfreundliche Unternehmen, die die Erfahrung und das Know-how der Lebenskenner schätzen. Den Kontakt zu den Bewerbern halten wir über einen eigenen geschlossenen Social-Media-Bereich, einen regelmäßigen Newsletter sowie kontinuierliche Angebote und Impulse zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung.
EFA schreibt ein neues Kapitel, in dem Menschen über 50 selbstbewusst ihren Mehrwert für Wirtschaft und Gesellschaft zeigen können und in dem Unternehmen wachgerüttelt werden, diesen Mehrwert für sich zu erkennen und zu nutzen.
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