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Dieses Handwerk hat nicht nur goldenen Boden, das Gold wird neben anderen Metallen kunstvoll verarbeitet. Ein Grund, Goldschmiedewerkstätten zu besuchen. Seit Urzeiten haben Menschen das Bedürfnis, ihre Persönlichkeit und ihre Erscheinung mit Schmuck hervorzuheben. In grauer Vorzeit geschah das durch Tragen von Trophäen erlegter Tiere, um die Jagdgewandtheit zu demonstrieren und zu imponieren. Das älteste ausgegrabene bekannte Schmuckstück besteht aus 33 durchbrochenen Muschelperlen, ist über 140.000 Jahre alt und wurde in Marokko gefunden. Grabfunde aus Mesopotamien belegen die Goldverarbeitung vor 4.600 Jahren, die in Rom und Ägypten schließlich einen Höhepunkt erreichte. Wertvolles Geschmeide war und ist das Statussymbol bedeutender Menschen, insbesondere Herrscher und Könige dieser Erde und war zu bestimmten Epochen auch nur diesen vorbehalten. Nicht zu vergessen, die Tierwelt. So manches Männchen möchte mit Geschenken und Körperschmuck, der gekonnt in Szene gesetzt wird, beeindrucken.

Der Mensch von heute trägt wertvollen Schmuck, um seine gesellschaftliche Stellung zu betonen. Je wertvoller, umso besser. Frauen zeigen dies oft durch geschmackvolle Kleidung und Schmuck, Männer durch wertvolle Schreibgeräte, Uhren oder repräsentative Autos. Aber auch einfacher Modeschmuck erfreut sich großer Beliebtheit. Wie Forschungen beweisen, trägt Schmuck zur Gesundheit bei. Sei es durch bewundernde Anerkennung oder das Empfinden, gut auszusehen. In beiden Fällen werden Glückshormone freigesetzt.
Gerade beim Schmuck gibt es unendlich viele Varianten, die vom Geschmack und dem finanziell Machbaren geprägt sind.

Was macht den Schmuck wertvoll?
Handelt es sich um Schmuck, der in Massenproduktion produziert wurde? Ist es ein vom Goldschmied* mit Liebe, Sachkenntnis und künstlerischer Schaffenskraft nach den Wünschen des Auftraggebers angefertigtes Unikat? Wie hoch ist der Gold- oder Silberanteil, wie viel Karat haben die Edelsteine? Trifft es den Geschmack der Zeit oder ist es ein Schmuckstück, das immer getragen werden kann, weil seine zeitlose Eleganz in jede Modeerscheinung passt? Auch der ideelle Wert spielt eine wesentliche Rolle. So ist eine extra für John Lennon gefertigte kleine, diamantenbesetzte Gitarre, viel mehr wert als das Einzelstück ohne emotionalen Hintergrund.
Manchmal muss auch ein Goldschmied in die „Massenproduktion“
Es gibt Situationen, in denen auch ein Goldschmied viele gleiche Schmuckstücke herstellen muss. Eine dieser Situationen ist der SemperOpernball, bei dem alle Debütantinnen den gleichen Halsschmuck tragen. Dieser ist für jede der einhundert Damen zu fertigen. „Das war eine wahre Herausforderung“, sagt Barbara Oehlke aus Dresden, die mit ihrem Team den Halsschmuck herstellte.

Eines ist jedoch immer wichtig: Es muss der Trägerin gefallen, sie muss sich damit identifizieren können. Manche lassen sich von der aktuellen Mode leiten und wählen, was ihnen die Werbung suggeriert. Andere haben ihren eigenen Geschmack und gehen einen Schritt, der genau ihren Wünschen entspricht: den Weg zum Goldschmied.
Handwerk oder Kunst?
„Künstler darf sich nur der nennen, der sein Handwerk perfekt beherrscht“, sagte ein Dozent an der Kunsthochschule zu seinen Studenten. „Die schöpferische Freiheit darf nicht eingeschränkt werden, nur weil der Künstler nicht in der Lage ist, seine Fantasie technisch umzusetzen.“

Dieser Grundsatz ist auch auf das Goldschmiedehandwerk anzuwenden. Auch, wenn in den Köpfen der Allgemeinheit das Handwerk im Vordergrund steht, sind die Wünsche der Kunden oft unrealistisch oder auch unpraktisch. „Manche wünschen sich ein Design, das sich als ausgesprochen praxisuntauglich herausstellen würde, weil die Verzierungen an der dazu passenden Kleidung hängen bleiben könnten. So kommt zu der Feststellung der Wünsche noch die Beratung hinzu, und das beinhaltet auch großes Einfühlungsvermögen. Der Ring muss zum Finger, der Hand und dem Typ Mensch passen. Das muss man den Kunden mitteilen, ohne sie zu bevormunden“, sagt Gunda Aßmus, eine Goldschmiedin aus Weißenburg/Bayern.

Erst kommt der Wunsch…
In der Regel kommen Kundinnen mit einem speziellen Wunsch. Oft sind es Eheringe, aber auch Halsketten, Armreife oder Broschen der besonderen Art. Manchmal bringen die Kunden auch Metall oder Edelsteine mit. Die Steine werden entfernt, die Metalle eingeschmolzen. Es werden gemeinsam Ideen durchgespielt, bis ein Strahlen im Gesicht der zukünftigen Trägerin dem Goldschmied signalisiert: „Das ist es!“
…dann die Umsetzung
Nun muss die Idee als Schmuckstück umgesetzt werden. Das erfolgt fast immer durch den Goldschmied.
Fast immer. Eine Besonderheit gibt es beispielsweise in Gunda’s Goldschmiede: Wer mag, kann sich seinen Schmuck selbst herstellen. Hier erhält er eine professionelle Anleitung zur selbstständigen Fertigung seines ganz persönlichen Schmuckstücks. Auch der Umgang mit evtl. benötigtem Spezialwerkzeug, wie beispielsweise einer Walze zum Plattieren der Silberstränge, wird vermittelt.

Mit Stolz kann der „Lehrling“ auf seinen selbst hergestellten Ring blicken. Manche erreichen hervorragende Fertigkeiten und sind von diesem Handwerk so begeistert, dass sie ihre eigenen Eheringe schmieden.

Manchmal sieht es so einfach aus
Nicht selten werden vermeintlich einfache Arbeiten gewünscht, wie zum Beispiel eine Gravur. Normalerweise kommt hierfür die Graviermaschine zum Einsatz. Doch nicht jedes Schmuckstück ist dazu geeignet, und der Goldschmied muss die Gravur freihändig fräsen. Die kleinste Unachtsamkeit – und das Schmuckstück ist zerstört.

Die eigentliche Arbeit beginnt
Da es sich um wertvolle Materialien handelt, ist darauf zu achten, dass so wenige Verluste wie möglich anfallen.

Mit der Genauigkeit eines Uhrmachers arbeitet die Goldschmiedin jedes kleine Detail aus. Unter ihrem Arbeitsplatz ist ein Leder gespannt, das sogenannte Brettfell. Früher war es ein Teppich, in dem alle herunterfallenden Teile landeten. „Als vor Jahren ein Goldschmied seinen Beruf aufgab, wurde sein Teppich für einen fünfstelligen Betrag versteigert“, weiß Gunda Aßmus zu berichten. Heute kann aus dem Brettfell der „Goldstaub“ herausgekehrt werden.

Gerade bei Schmuck ist die Optik wichtig. Später, wenn er mit Stolz getragen wird, fällt das bewundernde Auge des Betrachters auf das edle Stück, und jeder Fehler würde sofort erkannt. Hier unterscheidet sich der meisterlich gefertigte Schmuck vom Massenprodukt.

Auf dem Weg zum fertigen Schmuckstück sind unterschiedliche Werkzeuge erforderlich. Ob Spezialpresse, Punktschweißgerät oder einfach nur eine Zange, mit der spezielle Biegungen hergestellt werden können: Für jede Präzision gibt es das passende Gerät. Mikroschweißgeräte sind noch selten im Einsatz, ersetzen jedoch die Gasflamme immer mehr.

Manche dieser Werkzeuge wurden auch speziell angefertigt, um die Fantasie realisieren zu können. Und an der mangelt es einer Goldschmiedin nie. Gerade dadurch kann sie ihre Kunden auf eine Reise mitnehmen, die sie sonst nie kennengelernt hätten. Die aber auch die Möglichkeiten aufzeigt, auf die sie allein niemals gekommen wären. Eine Beratung, die auf keinen Fall durch Bummeln in Schmuckgeschäften ersetzt werden kann.

Die Arbeit hat sich gelohnt!
Das ersehnte Schmuckstück ist fertig. Die Kundin ist begeistert und die Schöpferin kann stolz sein. Sie hat ein weiteres Mal bewiesen, die Vorstellung mit dem Geschmack, dem Material und dem technisch Machbaren vereinen zu können.
In jedem Fall gibt der Träger dem Schmuckstück erst seine Bedeutung. So kann der Erwerb einen rein schmückenden, repräsentierenden oder selbstdarstellerischen Nutzen haben, aber auch spiritueller, religiöser oder gar tröstender Natur sein. Wer sich mit seinem ganz persönlichen Schmuckstück wohlfühlt, der hat alles richtig gemacht.
*Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
** © Bilder: Links oben: Pixabay – Walkerssk, rechts: Barbara Oehlke
*** © Bild: Rechts: Gunda Aßmus
© Sonstige Bilder: Stefan Weller