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Töne sehen, spüren…?!
Ich freue mich sehr, mit Ihnen in die klangpädagogische Bildungsarbeit des zweiten Teils der Artikelreihe „Der Ton macht die Musik“ einzutauchen.
Im Verlauf der Durchführungsphase eines Förderangebotes versuche ich praxisrealistisch sowie holistisch in einer Übung verschiedenste Lernfaktoren anzusprechen. Wir alle erlernen und verinnerlichen neues kognitives Wissen sowie motorische Fähigkeiten am effektivsten durch paralleles Erfahren, Wahrnehmen beziehungsweise Ausprobieren der individuellen körperlichen Sinne, also Fühlen, Sehen, Hören, Schmecken und Riechen. Die für meine Kursangebote im Vordergrund stehenden Lern,- Förder-, und Bildungsziele habe ich für Sie im ersten Teil der Reihe aufgeführt.
An dieser Stelle lade ich Sie eine Minute ein, die Ziele kurz zu überlesen um sich diese wieder ins Gedächtnis zurufen. So können Sie nach jeder inhaltlich beschriebenen Aktivität selbst reflektieren, welche Lernkompetenzen und Bildungsbereiche in den Praxisbeispielen fördernd angeregt wurden.
Jeden neuen Klangkurs mit Kindern sowie aktive Elternabende, aber auch pädagogische Fortbildungen zu diesem Themenbereich beginne ich gleich. Es ist Zeit zu erforschen und zu experimentieren. Die Kursteilnehmer*innen haben vielleicht genau wie Sie noch nie eine Klangschale gesehen oder noch weniger mit ihr als „Praxistool“ gearbeitet. Sie können sich unter einer Klangschale eine Schüssel vorstellen. Bestehend aus bis zu vierzehn Metallen sind diese entweder händisch oder heutzutage auch maschinell hergestellt. Länder wie Tibet, Nepal und Indien sind kulturell schon seit mehr als 3000 Jahren mit den verschiedensten Klanginstrumenten verwurzelt. So verwundert es auch nicht, dass ein Großteil der Klangschalen von dort importiert wird und nur sehr wenige nationale Anbieter selbst fertigen. Der augenscheinlichste Unterschied liegt in dem oberen Randdurchmesser und der oberen Randstärke. Eine exakte Variation beider Faktoren miteinander ermöglicht bei unserem Bild eine akustische Abstimmung auf (D`) mit ca. 158,1 Hz (Herz=Schlagfrequenz pro Min.).
Einzelaktivitäten und Übungen im Rahmen eines beispielhaften Klangangebotes
Kreisförmig angeordnet stehen sechs Klangschalen (eine pro Teilnehmer*in) mit einem Stoffuntersetzer auf dem Boden des Angebotsraums. Die Teilnehmer*innen suchen sich eine der Klangschalen aus, wobei alle bis circa 3/4 mit lauwarmen Wasser befüllt sind. Mit einem Filzschlegel kann jeder individuell seine Klangschale anschlegeln. Meist konnten schon nach dem ersten beherzten Anschlagen offensichtliche Eindrücke gemacht werden. Nun werden die Klangschalen nacheinander im Kreis vorgespielt. Jedes Individuum wird dazu ermutigt, persönliche Eindrücke und Erlebnisse in Worten zu verbalisieren. Das gemeinsame Ziel ist, durch aufmerksame Beobachtung herauszufinden, welche Klangschale sich am auffälligsten verhält.
Der Schlagimpuls versetzt die Schale in Schwingung. Die Wasseroberfläche bildet konzentrische Kreise und Wellen. Abhängig von Schlagrhythmus, Tonfrequenz, Wasserstand sowie Impulsintensität, kann der flüssige Inhalt empor spritzen.
Durch abwechselndes Ausprobieren kristallisiert sich eine Klangschale heraus. Interessant wird es nach mehreren Runden. Die Teilnehmer*innen wechseln ihr Instrument und gleichzeitig sinkt meist der Wasserstand. Somit kann selbst ich als Kursanleiter vorab nur schwer abschätzen, wie sich die Resonanzinstrumente verhält und dementsprechend das Ergebnis ausfällt.
Während des Hauptteilverlaufs in der folgenden Beispiel-Aktivität, begeben sich die Kursteilnehmer*innen in Zweierteams auf einen beziehungsbildenden Pfad mit vielen neuen Sinneseindrücken. Die Partner*innen werden hier in Absprache mit den Fachkräften der Einrichtung vor Angebotsbeginn gruppen-, alters-, kultur- sowie geschlechterübergreifend pädagogisch zugeordnet.
Wassergefüllte Klangschalen stehen auf Stoffuntersetzern, verteilt auf dem Fußboden des Angebotsraumes. Jedes Paar sucht sich nach Interesse eine Klangschale aus und legt in Absprache fest, wer das Resonanzinstrument spielt und wessen Hand in das lauwarme Wasser getaucht wird. Das Anschlagen der Klangschale wird im Team kommuniziert. Wichtig ist darauf zu achten, die Hände, aber auch Füße schwebend ohne Boden- und Randkontakt zu halten um eine Unterbrechung der Resonanzschwingung zu vermeiden. Die Kursteilnehmer*innen wechseln nicht nur von einer zur anderen Hand, sondern auch die Aufgabenverteilung und tauschen untereinander in einer ausgedehnten Experimentierphase die Klangschalen.
Wichtiger Teil des Kurses: Beobachtungen und Erfahrungen austauschen
In diesem beispielhaften Angebotselement nach einer durchgeführten Klangaktivität, finden sich die Gruppenteilnehmer*innen neben mir in einem Sitzkreis ein. In dessen Zentrum befindet sich nun eine nicht zu lang klingende Klangschale. Ich schlegel diese mit Gefühl an. Zusammen lauschen wir, dem in sich schwingenden, langsam verhallenden, warmen Ton. Eine Atempause später, nach Verstummen des Resonanzklangs suchen die einzelnen Charaktere den Blickkontakt zueinander. Mit einem Zuzwinkern motiviere ich eine*n Teilnehmer*in die eigenen Erfahrungen, Erklärungen oder Fragen mit uns zu teilen. Die Kinder berichten oft von Beobachtungen, wie: Das Wasser spritzt hoch wie ein Wasserfall! Berge auf dem Wasser! Muster wie bei Mandalas! Die Wellen sehen von laut zu leise fast gleich aus! Mit dem Wasser drin, hört ihr keinen Ton!
Nun zwinkert dieses Kind aufmunternd einem beliebigen Gegenüber zu. Nach einer aktiven und informativen Gruppenreflexion endet die Aktivität oder Übung des Klangangebotes.
Aber welcher Prozess ist nun der Auslöser für die individuellen visuellen und sensorischen Eindrücke. Warum sehen wir was wir sehen und fühlen was wir fühlen in diesen Klangangeboten?
Das Resonanzinstrument überträgt nach dem Anschlegeln die gestimmte Frequenz von (158,1Hz) auf den sich in ihr befindlichen Inhalt. Wasser ist in diesem Fall bezüglich seiner Dichte ein besserer Leiter als Luft. Die einzelnen H2O Moleküle werden von den sich gleichmäßig ausbreitenden Schallwellen mitgetragen. Abhängig von der einwirkenden Kraft, Schlagrhythmus sowie Anschlagspunkt kann so auch in einer kleinen Klangschale ein beeindruckender, fest choreographierter Springbrunnen schlummern.
Durch Eintauchen der Gliedmaßen in die Wasser gefüllte Klangschale, ohne aber den Boden und Rand zu berühren, kann die Schwingung der Flüssigkeit sich leise über die Haut, das Blut, die Knochen in unseren Körper ausbreiten. Ein individuelles, warmes aber auch kitzeliges Gefühl.
Eine leere Klangschale verhält sich hörbar physikalisch anders als eine befüllte. Der nun frei schwingende obere Rand, pendelt akustisch noch etwas zu laut zwischen 146,8 Hz &156,9 Hz. Nachdem die Lautstärke minimal zurückgegangen ist, ertönt ein warmer, sauberer, leicht brummender Ton. In der Mitte des Schwingungsbereiches liegt eine Oktave mit circa 151,8 Hz. Diesen hörbaren Frequenzpunkt hält die Klangschale bis sie verstummend ausschwingt.
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„Der Ton macht die Musik“ Teil III – Töne in unserem Körper fühlen…?!